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Tansania Uran

11. November 2011

Tansania zählt zu den größten Goldproduzenten Afrikas. Es exportiert Diamanten, den seltenen Edelstein Tansanit - und will ab 2012 Uran fördern. Trotz des Ressourcenreichtums lebt ein Großteil der Bevölkerung in Armut.

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Zwei Verteter einer Nichtregierungsorganisation stehen vor einem Bohrloch. Ziel ist, Uran zu finden. (Foto: DW/Ute Schaeffer)
Hier könnte in Zukunft Uran abgebaut werdenBild: DW

"Hier wohnt der reichste Massai der Region Bahi! Er hat viele zehntausend Stück Vieh und ist ein wirklich reicher Mann." Amosi Juma zeigt auf eine Fläche rechts von uns. Sie ist etwa halb so groß wie ein Fußballfeld, umrandet von flachen Gebäuden. Die Wände dieser Ställe bestehen aus Ästen, die eng miteinander verwoben und mit Lehm verklebt sind. Die Dächer der flachen, nicht einmal mannshohen Gebäude sind aus Stroh.

Es kann sein, dass der Massai in einigen Jahren sein Vieh woanders grasen lassen muss. Denn hier in Zentraltansania, unweit der Hauptstadt Dodoma, hoffen die tansanische Regierung und etliche Multis darauf, demnächst Uran fördern zu können. Mehr als 300 Bohrlöcher seien hier in den vergangenen vier Jahren entstanden, erzählt Amosi Juma. Der zierliche Junge aus dem Dorf Mkakatika wurde bei den Probebohrungen beschäftigt. Als Arbeiter dort habe er zunächst nicht wirklich etwas über Uran gewusst: "Wir selbst haben die Frage aufgebracht: 'Ist Uran nicht gefährlich?' Erst dann erhielten wir Handschuhe. Zu dem Zeitpunkt hatten wir schon mehr als eine Woche gearbeitet."

Erst vor kurzem seien tansanische Unternehmen hier gewesen, um erneut Bodenproben zu nehmen. Eines der Bohrlöcher liegt direkt vor uns. Es ist mit einem Stein verschlossen und ragt einige Meter in die Erde. "Das Uran liegt hier eigentlich direkt unter der Erdoberfläche", erklärt Mathias Lyamunda, Leiter der kleinen Nichtregierungsorganisation FEMAPO, während er mit einem Stock die Tiefe der Probebohrung demonstriert.

Mathias Lyamunda von der Nichtregierungsorganisation FEMAPO (Foto: DW/Ute Schaeffer)
Mathias Lyamunda vertritt die Nichtregierungsorganisation FEMAPOBild: DW

"Wo wird unser Vieh grasen?"

Wo ihr Vieh grasen wird, das fragen sich auch die Dorfbewohner. Einige Kilometer steiniges, graustaubiges Land entfernt im Distrikt Bahi liegt Mkakatika. Das Dorf hat einen Kiosk - liebevoll bemalt mit Werbung für Getränke und Telefonkarten. Hier ist immer was los. Cola, Limonade und Bier sind die Renner bei der Kundschaft. Unter dem großen Baum im Zentrum treffen wir uns zum Gespräch. Die jungen Leute haben nicht viel zu tun, es gibt im Augenblick keine Arbeit auf den Feldern. Der eine oder andere hat schon früh morgens eine Alkoholfahne. Mkakatika lebt von Ackerbau und Viehzucht. Im Dorf leben mit den lokalen Gogo und den Massai verschiedene ethnische Gruppen zusammen. Paulo Mosi, der große, sehr schlanke Dorfchef mit seinem leuchtend blauen Umhang, ist ein Massai: "Ich will diese Uranmine hier nicht haben", betont er. "Wir sind hier 4820 Leute, die in diesem Dorf leben und uns wurde gesagt, dass um die Uranminen im Umkreis von etwa 60 Kilometern keine Menschen leben sollten, dass dieser Bereich evakuiert würde. Also auch unser Dorf. Wo sollen wir hin?"

Dabei weiß er die Mehrheit der Dorfbewohner hinter sich: "Das ist sicher: Wir hier im Dorf haben nicht die volle Information über das Uran. Und die Firma, die wegen der Probebohrungen hierhin kam, hat uns auch keine Informationen gegeben. Diese Firma hat unsere Bauern und ihre Farmen hinterrücks überfallen und ihre Forschungen durchgeführt, ohne das jemandem zu sagen. Und als wir dann gefragt haben, da hat die Firma gesagt: 'Wir haben eine Lizenz von den obersten Behörden, basta'!"

Weder gefragt noch gehört

Zwei Dorfbewohner stehen vor einer Hütte (Foto: DW/Ute Schaeffer)
Die Dorfbewohner sorgen sich um ihre ZukunftBild: DW

Während wir mit den Dorfbewohnern sprechen, kommt Flaviana Charles mit einem Geländewagen an. Sie vertritt das "Zentrum für Menschenrechte". Regelmäßig befragt die Nichtregierungsorganisation die lokale Bevölkerung, ob es neue Bohrungen gibt und ob Regierungsvertreter vor Ort waren. "Die tansanische Verfassung verlangt, dass die Menschen hier in den Prozess miteinbezogen werden. Aber in diesem Bereich werden die Menschen einfach nicht informiert über das, was passiert." Stattdessen, so erzählt der Dorfchef, sei er von den Unternehmen gefragt worden, wer er denn sei. Zudem wurde er darüber belehrt, dass man ihn weder fragen noch anhören werde.

Im Jahr 2012 soll es ernst werden mit der Uranförderung in Tansania. Seit langem schon wird in Afrika Uran gefördert. Bereits die Atombomben von Nagasaki und Hiroshima wurden mit Uran aus dem Kongo gebaut. Die weltweite Nachfrage ist groß. Allein für den Betrieb der deutschen Atomkraftwerke sind pro Jahr etwa 3000 Tonnen Uran erforderlich.

Fehlende Informationspolitik

Der Abgeordnete Tundu Lissu kennt das Problem genau, denn er stammt aus der Region. Über Jahre hat sich der für die oppositionelle Chadema-Partei ins Parlament gewählte Anwalt Lissu in einer Umweltorganisation engagiert. "Die Regierung hat ernsthaft erklärt, dass sie mit der Uran-Förderung schon im Jahr 2012 beginnen will. Das ist ein Riesenproblem. Wir haben noch keine Politik, die den Rahmen setzt, um mit Uran umgehen zu können". Tansania verfüge weder über die technischen noch die finanziellen Ressourcen und auch nicht über das Fachwissen, um mit den Folgen einer Uranförderung umzugehen, erklärt Lissu. Uran sei schließlich kein Gold. "Unsere Regierung hat es viel zu eilig damit, Uran abzubauen. Das ist sehr gefährlich. Anstatt überstürzt mit der Förderung zu beginnen, sollten wir besser zweimal nachdenken." Der Anwalt sagt, dass sich die Regierung nicht nur gegenüber den Gemeinden nicht an die Spielregeln halte – auch das Parlament werde über die politischen Ziele in der Uranförderung nicht ausreichend informiert. Es werde weder darüber informiert, wie der Abbau geplant ist, noch würden Informationen über Projekte in den Nachbarstaaten öffentlich gemacht.

"Unsere Regierung sorgt nicht für die Leute"

Eine Hand mit einer Pinzette zählt Diamanten (Foto: AP)
Bodenschätze wie Diamanten bringen der Bevölkerung keinen ReichtumBild: AP

Die Menschen in Tansania sind arm. Das Land ist reich, wenn es nach den Bodenschätzen geht. Hier finden sich Gold, Diamanten und der lokale Edelstein Tansanit. Tansania ist der viertgrößte Produzent von Gold in Afrika. Allein 2010 lagen die Einnahmen bei mehr als 1,5 Milliarden Dollar. Die Tansanier selbst jedoch merkten von diesem Reichtum wenig, erläutert Tundu Lissu: "Von 1,5 Milliarden Dollar bleiben für uns gerade einmal 16 Millionen Dollar." Auch beim Uran geht es um große Summen: 14 Millionen Tonnen Uranerz soll es in der Region Bahi geben. Es sind zwei australische Firmen, die sich dafür interessieren: Mantra Resources und Uranex.

Auch für Ibrahim Ismail, der die Interessen der Dörfer in der Nichtregierungsorganisation FEMAPO vertritt, ist die Art und Weise, wie mit Ressourcen im Land umgegangen wird, ein Zeichen dafür, dass die Regierung ihre Menschen im Stich lasse: "Unsere Regierung sorgt nicht für die Leute. Schauen Sie sich doch mal unsere Schulen an, die sind alle in miserabelstem Zustand. Und nur wenn gewählt wird, dann zeigt sich die Regierung hier und versucht Gutes zu tun. Und nach der Wahl sorgen sie dann zuallererst für sich selbst."

Ein alter Mann, der schon mehr als fünf Jahrzehnte hier lebt, stimmt zu: "In unseren Gebieten hier wird das Uran überwiegend in der Nähe von Siedlungen gefunden. Wenn man das abbaut, dann wird das Auswirkungen auf die Menschen haben. Das ist der Grund, warum wir hier keine Minen brauchen und wollen." Und er schiebt noch eine Drohung hinterher: "Sollte das dennoch geschehen, dann können die sich auf einen Bürgerkrieg einstellen. Wir werden unsere Dörfer mit allen denkbaren Mitteln verteidigen."

Autorin: Ute Schaeffer
Redaktion: Katrin Ogunsade