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Arbeitsnomaden in Europa

Rosalia Romaniec25. Januar 2013

Seitdem die Euro-Krise vor allem Südeuropa erreicht hat, suchen immer mehr Menschen aus den neuen EU-Ländern fern der Heimat Arbeit. Ihr Interesse gilt derzeit besonders deutschsprachigen Ländern.

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Die Schweizer Nationalflagge weht in Bern Foto: Rainer Jensen (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Maja Majchrzak stammt aus Polen. Seit dem vergangenen Weihnachtsfest arbeitet sie als Skilehrerin im schweizer Nobelskiort St. Moritz. Sie ist eine der modernen Arbeitsnomaden Europas: gebildet, abenteuerlustig und flexibel. Bevor sie in die Schweiz kam, arbeitete die studierte Englischlehrerin fünf Jahre lang an einer Sprachschule in Mailand. Als die Finanzkrise Italien einholte, entschloss sie sich, weiterzuziehen. "Die Schweiz reizte mich, weil sie mitten in Europa liegt und außerordentlich gute Verdienstmöglichkeiten bietet", sagt Maja Majchrzak, die mehrere Sprachen fließend spricht.

Fremdsprachenkenntnisse erleichtern vielen Migranten aus Osteuropa den Zugang zum Arbeitsmarkt in der Schweiz. "Käme es nur aufs Skifahren an, hätten wir auch genug Leute aus Italien und Deutschland", sagt Franco Moro, Direktor der Schweizer Skischule St. Moritz. "Bei Osteuropäern gibt es zwar öfter Defizite im Servicedenken, aber dafür sprechen viele Russisch - und das ist bei uns eine sehr wichtige Qualifikation."

Maja Majchrzak Foto: Rosalia Romaniec
Maja Majchrzak: "Die Schweiz bietet gute Verdienstmöglichkeiten"Bild: DW

Freizügigkeit mit Einschränkungen

Dank eines bilateralen Abkommens mit der EU ist es seit 2011 für Arbeitssuchende aus EU-Ländern leichter, in der Schweiz Fuß zu fassen. Die Liberalisierung kam zeitgleich mit der vollständigen Arbeitsmarktöffnung innerhalb der Europäischen Union im selben Jahr. Ein Jahr später führte die Schweiz zwar wieder Quoten für längere Aufenthalte ein. Sind diese aber ausgeschöpft, ist immer noch ein Visum für den Aufenthalt bis zum einen Jahr möglich.

Trotz dieser Einschränkungen reißt der Zuzug der Ost- und Mittelsüdeuropäer nicht ab. Schuld ist die Finanz- und Wirtschaftskrise im restlichen Europa. "Der starke Schweizer Franken steigert natürlich die Attraktivität der Schweiz", erklärt Herbert Brücker vom "Institut für Arbeits- und Berufsforschung" in Nürnberg.

Michael Wagner vom Hotel Rosatsch in Pontresina Foto: Rosalia Romaniec (DW)
Beschäftigt gerne Menschen aus Osteuropa: Hotelier WagnerBild: DW/R. Romaniec

Aus neusten Untersuchungen geht hervor, dass die nach Arbeit suchenden Südeuropäer 20 Prozent der derzeitigen Arbeitsmigration ausmachen. Noch mehr Bewegung kommt aus Polen, Tschechien oder Ungarn. Begehrte Ziele seien jetzt Deutschland und die Schweiz, sagt Brücker.

Chancen im Tourismus

Die Nachfrage spüren auch die Hoteliers und Gastronomen, die noch nie so viele Bewerbungen von Osteuropäern bekamen wie zurzeit. Zwar stellen sie bisher immer noch eine Minderheit dar, aber ihr Anteil wächst. Denn für Hotels gilt wie für Skischulen: Personal mit vielfältigen Sprachkenntnissen ist gesucht. "Perspektivisch ist es richtig, weil auch die Zahl der Touristen aus den neuen EU-Ländern wächst", sagt Michael Wagner, Inhaber eines Hotels in Pontresina in der Nähe von St. Moritz.

Hier beschäftigt der Hotelier in der Wintersaison bis zu 60 Mitarbeiter, mehr als 80 Prozent sind Ausländer, darunter auch Slowaken und Ungarn. "Es sind oft junge Leute mit guter Ausbildung und hoher Flexibilität - genau, was wir suchen", sagt Wagner.

Auf dem Weg nach Norden

Eine von ihnen ist Kristina Malekova. Sie arbeitet im Hotel "Zum Rosatsch" als Servicekraft im zweiten Jahr in Folge. Die studierte Philosophin fand in ihrem Heimatland Slowakei keine adäquate Arbeit und wollte deshalb nach Südeuropa gehen. Zuerst waren ihre Ziele die Türkei und Griechenland, aber dann kam die Krise - und sie entschloss sich, in der Schweiz nach Arbeit zu suchen. "Hier sind Bezahlung und Arbeitsatmosphäre super", sagt die Slowakin. Sie lobt auch die zahlreichen Fortbildungsmaßnahmen innerhalb des Betriebs. "Außerdem ist es nah an der Slowakei“, betont sie und fügt hinzu: "So gut kann ich es derzeit nirgendwo in Europa haben."

Kristina Malikova aus Slowakei Foto: Rosalia Romaniec
Philosophin im Hotel: Kristina Malikova aus der SlowakeiBild: DW

Ein hohes Lohnniveau und eine starke Währung machen mitten in der Eurokrise die Schweiz zu einem der attraktivsten Ziele Europas. Es ist aber ein relativ kleiner Arbeitsmarkt, und es ist zu erwarten, dass viele Arbeitsnomaden, die jetzt den Süden Europa verlassen, noch weiter nach Norden ziehen werden. Zum Beispiel nach Deutschland. Hier hat die Zuwanderung zuletzt bereits kräftig zugelegt.