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Pelzer: "Eine Minireform"

Diana Peßler22. Mai 2013

Die Bundesregierung will es geduldeten Ausländern erleichtern in Deutschland eine Arbeit aufzunehmen. Für Marei Pelzer, Sprecherin der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, gehen die Pläne nicht weit genug.

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Marei Pelzer. Foto: Pro Asyl
Marei Pelzer Pro AsylBild: Pro Asyl

Deutsche Welle: Frau Pelzer, mit welcher Ausgangslage haben es Asylbewerber und geduldete Ausländer zu tun, wenn sie in Deutschland arbeiten wollen?

Marei Pelzer: Sie dürfen zunächst ein Jahr lang gar nicht arbeiten. Und danach gilt die sogenannte Vorrangregelung: Wenn ein Asylbewerber oder geduldeter Ausländer einen Job annehmen will, prüft die Arbeitsagentur erst einmal, ob es Deutsche oder EU-Bürger gibt, die vorrangig beschäftigt werden müssen. Und nur wenn das nicht der Fall ist, dürfen Asylbewerber arbeiten. Das führt in manchen Regionen einfach dazu, dass sie gar keine Chance haben.

Bei geduldeten Ausländern gibt es keine Vorrangprüfung, wenn sie bereits länger als vier Jahre in Deutschland sind. Offenbar will die Bundesregierung das künftig auch bei Asylbewerbern so handhaben. Zusätzlich soll nach vier Jahren die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit entfallen, die nötig ist, wenn Asylbewerber und Geduldete arbeiten wollen. Für wie bedeutend halten Sie diese Veränderung?

Marei Pelzer: Es ist eigentlich nur eine kleine Veränderung. Wünschenswert wäre gewesen, wenn man die Vorrangregelung ganz abgeschafft hätte. Jetzt hat man eigentlich nur einen kleinen bürokratischen Akt abgeschafft.

Geht es den Politikern um weniger Bürokratie, oder sehen Sie noch andere Beweggründe für die Änderung?

Ich glaube, da gibt es einfach konkurrierende Ideen der Politiker. Manche Vertreter wollen die Betroffenen leichter in Jobs bringen, damit sie sich durch Erwerbsarbeit selbst versorgen können. Und dagegen stehen die Hardliner, die die Menschen fern vom Arbeitsmarkt halten wollen, damit keine Asylbewerber mit der Aussicht auf Arbeit angelockt werden. Ich glaube, dass die neuen Pläne ein Kompromiss sind, der aber eigentlich wenig bringt.

Sie fordern eine Abschaffung der Vorrangprüfung, was bedeutet diese Prüfung für die Betroffenen?

Das sind oft wochenlange Prüfungen. Die Ausländerbehörde, die die Genehmigungen erteilen kann, fragt bei der Bundesagentur nach. Die prüft, wie der Arbeitsmarkt aussieht, ob es Arbeitssuchende gibt, die Vorrang haben. Und dann bekommt man nach einigen Wochen die Antwort. Das alleine schreckt Arbeitgeber oft ab, die nicht wochenlang darauf warten wollen, ob der Bewerber arbeiten darf oder nicht. Hier ist noch viel zu tun und was jetzt geplant ist, ist eigentlich nur eine Minireform.

Was muss denn in Deutschland Ihrer Ansicht nach noch getan werden?

Wir sagen: Integration muss am ersten Tag beginnen und dazu gehört auch, dass Asylbewerber Deutsch lernen können, also dass Sprachkurse angeboten werden. Man muss einfach die Zeit, in der die Asylbewerber auf ihre Asylverfahren warten, sinnvoll nutzen. So können sie sich in der Gesellschaft einfinden und man kann schauen, welche Qualifikationen die Leute mitbringen, damit diese Qualifikation auch nicht verarmen. Es ist ein großes Problem, dass nach dem geltenden System die Leute erst einmal zum Nichtstun verurteilt sind und vorhandene Fähigkeiten auch verloren gehen.

Wo steht Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern? Wie sind die Chancen für Asylbewerber oder geduldete Ausländer auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen?

Viele Restriktionen kommen aus Deutschland. Diese Form, die Lebensumstände möglichst schlecht zu gestalten, um damit Flüchtlinge abzuschrecken, das ist schon eine sehr deutsche Idee. Auf der anderen Seite muss man natürlich sehen, dass Deutschland von der Finanzkrise nicht so stark betroffen ist und der Arbeitsmarkt hier noch besser ist im Vergleich zu Ländern wie Griechenland, Italien oder Portugal. Von daher ist es trotz der rechtlichen Einschränkungen hier vielleicht noch einfacher für die Betroffenen, Arbeit zu finden. Aber die vielen Einschränkungen, das ist schon sehr deutsch. Und da müsste man einmal nachdenken - auch angesichts des Fachkräftemangels - ob man noch auf der richtigen Spur ist. Wenn man Menschen, die als Flüchtlinge gekommen sind, nach wie vor solche Regeln auferlegt.

Marei Pelzer ist rechtspolitische Sprecherin der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl. Als Juristin ist sie spezialisiert auf Fragen des europäischen Flüchtlingsrechts und die Umsetzung von Menschenrechten in Deutschland.