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Arabischer Geldregen für Serbien

Nemanja Rujević18. Oktober 2013

Milliardensummen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten sollen als Investitionen und Darlehen nach Serbien fließen. Stecken hinter der unerwarteten Annäherung zwischen Golf- und Balkanstaat nur Geschäftsinteressen?

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Der Scheich Muhammad bin Zayid Al Nahyan von den Vereinigten Arabischen Emiraten hat das Trikot von Roter Stern Belgrad und eine Europapokalreplik bekommen. Der serbische Vizepremier Aleksandar Vucic ist im Hintergrund zu sehen. Foto: Srdjan Stevanovic.
Hoher Besuch bei Roter Stern Belgrad: Scheich Muhammad bin Zayid Al Nahyan (r.)Bild: Srdjan Stevanovic

Scheich Muhammad bin Zayid Al Nahyan lachte sichtlich gut gelaunt, als er das Trikot des Fußballvereins Roter Stern Belgrad und eine Europapokalreplik überreicht bekam. Der serbische Vizepremier Aleksandar Vučić, der Al Nahyan gerne seinen Freund nennt, lachte mit. Es ist aber nicht das Trikot des ehemaligen Europachampions, das den Scheich nach Serbien lockt. Hier hat der Thronfolger der Vereinigten Arabischen Emirate zurzeit auch viele Geschäfte zu erledigen. So hatte die Fluggesellschaft des Emirats, die Etihad Airways, im August 49 Prozent der serbischen JAT Airways gekauft. Und einer der Staatsfonds Abu Dhabis, Mubadala, will in serbische Rechenzentren investieren. Ebenfalls interessant für die Araber: die Landwirtschaft Serbiens. Bis Ende 2014 soll Serbien zudem zwei bis drei Milliarden US-Dollar aus den Emiraten als Kredit erhalten.

Alles nur Geschäft

Diese Investitionen bedeuteten nur Business und es gäbe keinen geopolitischen Zusammenhang, glaubt Verena Strobel von der Bayerischen Landesbank. Die Emirate versuchten die heimische Wirtschaft zu diversifizieren und suchten deshalb nach neuen Investitionsstandorten, so die Expertin. "Sie versuchen momentan neue Standbeine zu bauen, um vom Öl wegzukommen. Man sieht es am Dubai, das sehr intensiv in den Tourismus investiert und sich als Handelsdrehkreuz zu profilieren bemüht", sagt Strobel gegenüber der DW. Das Wachstum in den westlichen Staaten sei zur Zeit eingetrübt, so Strobel weiter. Es gebe deshalb viele Regionen, in denen es lukrativer sei Geschäfte zu machen, vor allem in Asien und - warum nicht - auf dem Balkan.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf liegt in den Emiraten bei rund 65.000 Dollar - zehn mal mehr als in Serbien. "Serbien hat gute Chancen ein höheres Wirtschaftwachstum zu erreichen, weil das Land zur Zeit leider weniger erwirtschaftet als noch vor einigen Jahrzehnten", sagt Milan Kovačević, serbischer Experte für Auslandsinvestitionen. Es wird erwartet, dass die serbische Wirtschaft im laufenden Jahr um 2,5 Prozent wächst. Gleichzeitig jedoch steigt auch die Staatsverschuldung - und zwar gewaltig. Allein in diesem Jahr sollen die Ausgaben rund 4,7 Prozent mehr sein als das BIP, und das Staatsbudget ist so knapp, dass der Finanzminister vor eine Woche mit alarmierenden Worten vor einem Bankrottwarnte. Als erste Maßnahme werden die Löhne für 700.000 Staatsangestellte um rund ein Viertel gekürzt. Gleichzeitig wird die Mehrwertsteuer von acht auf zehn Prozent erhöht.

Dominique Strauss-Kahn in Belgrad (REUTERS/Marko Djurica)
Dominique Strauss-Kahn soll Serbien aus der Misere helfen – er wurde von der Belgrader Regierung als Berater engagiertBild: Reuters

Kredite sind keine Geschenke

Bei der Sanierung der Staatsfinanzen sollen angeblich auch die Vereinigten Arabischen Emirate helfen. Es geht um zwei bis drei Milliarden US-Dollar bis Ende 2014, die zu äußerst günstigen Zinskonditionen verliehen werden sollen. "Die Emirate sind sehr wohlhabend und ihr Binnenmarkt ist irgendwann gesättigt", erklärt Verena Strobel. "Für diesen Staat spielt es keine große Rolle wie hoch die Zinsen für Darlehen sind." Die Kredite, die aus den Emiraten fließen, bewertet der serbische Vizepremier Aleksandar Vučić fast als ein Geschenk. Diese Aussage jedoch ärgert den Experte Kovačević. "Ein Kredit hat mit einem Geschenk nichts zu tun. Geschenke muss man nicht zurückzahlen, Darlehen schon", sagt er im DW-Interview.

Dabei haben Kredite oft auch einen verborgenen Preis - nämlich wirtschaftliche Vorteile, die Geldgeber sich verschaffen. "Jüngstes Beispiel ist die Chinesische Brücke in Belgrad. Die Bauarbeiten sind durch chinesischen Kredit finanziert und die Chinesen haben dafür gesorgt, dass auch ein chinesischer Auftragnehmer die Brücke baut. So hat Serbien die Brücke eigentlich importiert", sagt Kovačević.

Hinter der Großzügigkeit der Araber vermuten Beobachter nicht zuletzt ein strategisches Interesse an der serbischen Rüstungsindustrie - der stärksten Exportbranche des Landes. "Die Geschäfte mit Waffen sind sehr profitabel und werden von den großen Weltmächten dominiert. Es ist selbstverständlich, dass Serbien da seine Nische sucht", so Kovačević. "Wir haben bedeutende Fertigungskapazitäten wenn es um Klein- oder Jagdwaffen und Munition geht."

Flugzeugmodell Air Serbia (AFP PHOTO / ANDREJ ISAKOVIC)
Air Serbia startet offiziell am 27. OktoberBild: ANDREJ ISAKOVIC/AFP/Getty Images

Air Serbia hebt ab

Milliarden-Kredite und große Investitionen aus dem Golfstaat sind versprochen, bisher steht aber nur eine fest - die Fluglinie Etihad hat eine Beteiligung von 49 Prozent an der serbischen JAT Airways erworben. Diese gilt seit Jahren als Sorgenkind der Belgrader Regierung, da sie nur rote Zahlen schreibt und deswegen aus Steuergeldern massiv unterstützt werden muss. Mit dem neuen arabischen Partner soll nun alles anders werden - ein neuer Name (Air Serbia), eine kompakte Airbus-Flotte und weniger Mitarbeiter sollen Profit bringen. "Diese Investition war für Etihad interessant, weil Air Serbia viele Strecken fliegt, die von den großen europäischen Airlines nicht bedient werden", erklärt der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt der DW. "Das sind die Strecken auf dem Balkan oder Richtung Osteuropa, die für Lufthansa oder Air France nicht interessant sind."

Großbongardt nennt das Beispiel Air Berlin - seit zwei Jahren besitzt Etihad 29 Prozent der zweitgrößten deutschen Airline und das lohne sich für beide Partner. "Air Berlin hat erheblichen zusätzlichen Umsatz gemacht durch sogenanntes Codesharing mit Etihad. Es gab allein im ersten Halbjahr 450.000 gemeinsame Fluggäste. Zu großem Teil sind das Leute, die Air Berlin sonst nicht bekommen hätte", mahnt Großbongardt. Er glaubt, dass die serbische Airline von der Partnerschaft mit Etihad auf ähnliche Weise profitieren kann.

Vielleicht profitiert am Ende auch der Fußballverein Roter Stern Belgrad. Es gibt Gerüchte, dass Scheich Al Nahyan den Club sponsern will. Völlig abwegig wäre das nicht: sein Halbbruder Mansour Bin Zayed, der bekannteste "Fußball-Scheich" der Welt hat bereits mehrere hundert Millionen Euro in den englischen Erstligaclub Manchester City gesteckt.