1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Appell für mehr Pressefreiheit

26. August 2012

Willkür, Übergriffe und Drohungen - das gehört in China zum Tagesgeschäft ausländischer Journalisten. 26 deutsche Korrespondenten bitten nun die Kanzlerin in einem Brief um Hilfe.

https://p.dw.com/p/15wy9
Ein Polizist in Zivil hindert einen Fotografen daran zu fotografieren, wie ein anderer Polizist Journalisten befragt (Foto: AP)
Bild: AP

"Im Interesse einer guten und fairen Berichterstattung über China halten wir es für notwendig, diese Probleme auf höchster Ebene anzusprechen", heißt es in dem Schreiben der Korrespondenten an Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Wir fordern lediglich Arbeitsbedingungen, wie sie für chinesische Journalisten in Deutschland selbstverständlich sind." Sie bitten Merkel sich bei ihrem anstehenden Chinabesuch für mehr Pressefreiheit in China einzusetzen.

Den Appell haben auch Journalisten mitverfasst, die schon seit vielen Jahren in China arbeiten und feststellen, dass sich ihre Arbeitsbedingungen im Vergleich zu den 1990er Jahren dramatisch verschlechtert hätten. Jüngst komme es vermehrt zu Angriffen und Festnahmen. Offenbar geht die Regierung deswegen so hart mit Journalisten um, weil sie befürchtet, der Arabische Frühling könne nach China überschwappen. 

Vor zwei Wochen beispielsweise war ein Fernsehteam der ARD von aufgewiegelten Arbeitern attackiert, der Spionage bezichtigt und neun Stunden lang festgehalten worden. "Polizei und Staatssicherheit behindern unverändert unsere Arbeit und drohen unverhohlen damit, unsere Visa nicht zu verlängern, wenn wir über 'sensible' Themen berichten", schildern die Journalisten.

Die Korrespondentin des arabischen Fernsehsenders Al-Dschasira, Melissa Chan (Foto: dpa)
Die amerikanische Journalistin Melissa Chan musste China verlassen - möglicherweise weil sie über Arbeitslager berichtet hatteBild: picture-alliance/dpa

Festnahmen, Drohungen und Spionage

Nicht nur deutsche Journalisten klagen über die in China vorherrschenden Arbeitsbedingungen: In einer Umfrage des Auslandskorrespondentenclubs in China (FCCC) erklärten 98 Prozent der Befragten, dass internationale Standards für die Berichterstattung im Land nicht gewahrt seien. Ein Viertel klagte über Probleme und Verzögerungen bei der Visumvergabe.

So erging es auch einem Journalisten des Spiegel: Chinas Außenministerium habe ihn fast ein Jahr auf sein Visum warten lassen und ihm damit de facto die Akkreditierung verweigert. Im Mai hatten die Behörden erstmals seit 14 Jahren einer akkreditierten ausländischen Journalistin ein neues Visum verweigert. Die Amerikanerin Melissa Chan, die für den arabischen Sender Al-Dschasira arbeitet, musste das Land verlassen. Offiziell hieß es, sie habe gegen "Regeln und Regulatorien" verstoßen. Der wahre Grund sei, vermutet der FCCC, eine Dokumentation über Arbeitslager in China.

Die deutschen Journalisten fühlen sich eingeschüchtert, schreiben sie. Es würden auch Kollegen bedroht, belästigt und geschlagen. "Unsere chinesischen Mitarbeiter werden von der Staatssicherheit aufgefordert, uns auszuspionieren." Sie würden zudem aufgefordert, sich nicht mit kritischen Themen zu beschäftigen.

Auch auf die Heimatredaktionen werde Druck ausgeübt. Die chinesische Botschaft in Berlin fordere die Vorgesetzten der Korrespondenten auf, "für weniger 'kritische' Berichterstattung zu sorgen". Auch sei es schwer an Interviewpartner zu kommen, weil kritische Gesprächspartner weggesperrt würden.

Merkel soll sich erneut einsetzen

Schon im Juni 2011 hatte sich Merkel bei Konsultationen mit der chinesischen Regierung in Berlin für die deutschen Berichterstatter eingesetzt – ohne Konsequenzen, wie in dem Brief steht. Ende der Woche reist die Kanzlerin erstmals gemeinsam mit einem großen Teil ihres Kabinetts zu zweitägigen Gesprächen nach Peking zu den zweiten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen. Das Bundespresseamt wollte den aktuellen Appell der Journalisten nicht kommentieren.

nem/pg (dpa, afp)