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"Können Urteil nicht akzeptieren"

Erning Zhu17. April 2015

Nach dem Urteil gegen die chinesische Journalistin Gao Yu übt ihr Anwalt Mo Shaoping im DW-Interview harsche Kritik am Gericht. Es sei vollständig der Darstellung der Anklage gefolgt, was inakzeptabel sei.

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Gao Yus Rechtsanwalt Mo Shaoping (Foto:afp)
Bild: Peter Parks/AFP/Getty Images

Deutsche Welle: Wie hat Gao Yu reagiert, als das Urteil verkündet wurde?

Mo Shaoping: Gao Yu hat sich alles sehr ruhig angehört.

Will sie in Berufung gehen?

Ja. Beim Verlassen des Gerichtsgebäudes hat Gao Yu das sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.

Haben Sie mit diesem Urteil gerechnet?

Zwei Punkte sind wichtig. Erstens, das Gericht hat sich die Anklage der Staatsanwaltschaft vollständig zu eigen gemacht. Der Vorwurf gegen sie lautet: "Verrat von Staatsgeheimnissen an ausländische Institutionen". Nach dem chinesischen Gesetz hatte das Gericht in diesem Falle einen Spielraum von 5 bis 10 Jahren Haft.

Zweitens, als Anwälte von Gao Yu können wir das Urteil nicht akzeptieren, weil das Gericht nicht streng nach dem Gesetz gehandelt hat. Das Gericht hätte das Urteil nur aufgrund von Tatsachen fällen dürfen, die zuvor auf Grundlage strikter Beweisführung festgestellt wurden.

Die chinesische Journalistin Gao Yu (Foto:dpa)
Die chinesische Journalistin Gao YuBild: picture-alliance/epa/F. Singer

Was bedeutet das konkret in diesem Fall?

Das Urteil beruht in der Hauptsache auf einem Schuldeingeständnis von Gao Yu selbst. Doch Gao Yu hat bereits eindeutig erklärt, dass sie dieses Geständnis unter Zwang gemacht habe. Die Polizei hatte ihr mit der Verhaftung ihres Sohnes gedroht.

Ihr erstes Verhör dauerte über zehn Stunden. Im dazugehörigen Protokoll hat Gao Yu sich als nicht schuldig bezeichnet. Nach chinesischem Gesetz gilt unter Folter erpresstes Beweismaterial als illegal und darf nicht als Begründung für ein Urteil herangezogen werden. Trotzdem hat das Gericht das Schuldeingeständnis von Gao Yu als Hauptbeweis für das Urteil benutzt. Das ist unserer Meinung nach gesetzwidrig.

Hat das Gericht gesagt, um welches Geheimdokument es sich hier handelt?

Das Gericht sieht als erwiesen an, dass Gao Yu das Dokument Nr. 9 des Zentralkommitees an He Pin vom Mirror-Verlag in Hong Kong weitergeleitet hat. Aber He Pin hat, vertreten durch seinen Rechtsanwalt in den USA, erklärt, dass er dieses Dokument niemals bekommen habe. Diese Erklärung habe ich als Rechtsanwalt von Gao Yu dem Gericht überreicht.

Das Gericht hat nach dem Gesetz die Tatsachen zu prüfen und Herrn He Pin zumindest einmal zum Sachverhalt zu befragen. Ein Urteil des Gerichts, das ohne die notwendige Tatsachenprüfung zustande gekommen ist und lediglich der Staatsanwaltschaft Glauben geschenkt hat, verstößt gegen die Strafprozessordnung. Deswegen können wir es nicht akzeptieren. Wir gehen in Berufung.

Wie lange hat die Urteilsverkündung gedauert?

Etwa 15 Minuten.

Konnte jeder zur Urteilsverkündigung ins Gericht kommen?

Theoretisch ja. Aber im Saal gab es nur wenige Sitzplätze. Gao Yus Sohn und ihr Bruder waren gekommen. Die anderen Anwesenden waren wahrscheinlich Mitarbeiter des Gerichts.

Das Gespräch führt Erning Zhu.