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"Abbas - der Herr im Haus"

Diana Hodali18. August 2014

Am späten Abend läuft die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas aus. Palästinenserpräsident Abbas setzt alles daran, sie zu verlängern - selbst wenn er einen Balanceakt wagen muss. Denn seine Zukunft hängt davon ab.

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Usama Antar ist Politikwissenschaftler in Gaza-Stadt (Foto: privat)
Bild: privat

DW: Herr Antar, Mahmud Abbas ist in Doha und trifft sich mit Hamas-Chef Chalid Maschaal, um darauf zu drängen, das modifizierte Angebot der Ägypter für einen längerfristigen Waffenstillstand anzunehmen. Warum ist das für Abbas der richtige Weg?

Usama Antar: Für Mahmud Abbas ist es gerade wichtig, immer zu zeigen, dass er der Herr im Hause ist. Er kümmert sich seit Wochen intensiv um die Lage im Gazastreifen. Zum ersten Mal verhandeln die Palästinenser mit einer Stimme in Kairo, mit einer Delegation, die von der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Fatah angeführt wird. Und um einen gutes Ergebnis mit Israel zu erreichen, müssen erst die internen Positionen abgestimmt werden.

Zwar spricht man jetzt als Einheitsregierung mit den anderen Parteien, aber die Palästinenser sind sich uneinig über das Angebot Ägyptens, das unter anderem eine Ausweitung der Fangzone für Gaza-Fischer im Mittelmeer vorsieht.

Die Hamas hat den modifizierten Vorschlag Ägyptens nicht abgelehnt. Bereits am Sonntag (17.08.2014) hat Netanjahu gesagt, die Sicherheitsbedenken Israels hätten Priorität. Und damit meinte er, dass dieser Vorschlag nicht die Grundlage für die Verhandlungen zwischen beiden Seiten bilden kann. Abbas will einen weiteren Krieg zwischen Palästinensern und Israelis verhindern. Und dafür wird er alle diplomatischen Bemühungen unternehmen. Zudem haben wir eine neue Situation: Bei der Palästina-Israel-Frage spielen jetzt auch regionale Mächte eine Rolle. Katar sieht sich als eine regionale Macht und versucht dem Westen zu zeigen, dass es auch Druck auf Maschaal ausüben kann. Nicht nur die Ägypter sollen an der Palästina-Akte mitwirken, auch Katar will einbezogen werden. Deswegen gibt es auch oft kontroverse Positionen der Hamas.

Wie meinen Sie das?

Alle Palästinenser wollen, dass die Blockade des Gazastreifens aufgehoben wird. Eine Aufhebung der Blockade ist nicht gleichzusetzen mit einer Linderung der Blockade. Israel möchte nur einige Zugeständnisse in Sachen Linderung der Blockade machen. Die Palästinenser wollen aber mehr. Katar versucht Maschaal dazu zu drängen, die Forderungen der Hamas nicht aufzugeben.

Chalid Maschaal (links)und Mahmud Abbas am21.07.2014 in Doha (Foto: Reuters)
Chalid Maschaal (links) und Mahmud Abbas müssen sich einig werdenBild: Reuters/Thaer Ghanaim/Palestinian President Office

Die Hamas steht also zwischen den Stühlen. Abbas will, dass man den Waffenstillstand unter Vermittlung Ägyptens annimmt und Katar will sie davon abhalten.

Abbas versucht daher, die Hamas davon zu überzeugen, mit einer Stimme zu sprechen. Er will Maschaal davon überzeugen, dass man nicht alle Forderungen auf einmal erfüllt bekommen kann. Israel bleibt eine starke Macht. Statt dass man weiterhin so viel Blut vergießt, müsse man die Forderungen reduzieren - so sieht es Abbas. Aus einer Lockerung könnte eine Aufhebung der Blockade hervorgehen.

Einerseits hat Mahmud Abbas Sicherheitsabkommen mit Israel geschlossen, andererseits hat er eine Einheitsregierung mit der Hamas gebildet. Versucht er also gerade, beide Seiten zufriedenzustellen?

Abbas ist jemand, der alle Mittel einsetzt, um jenseits der militärischen Möglichkeiten nach Lösungen zu suchen. Das bedeutet, dass er die Sicherheitskoordination mit Israel weiter aufrechterhalten will, damit es nicht zu Aufständen in der Westbank kommt. Gleichzeitig möchte er, dass die Menschen einigermaßen in Würde leben können. Wenn er nicht die Möglichkeit hat, die Blockade zu hundert Prozent aufheben zu lassen, dann versucht er zumindest, die Blockade zu lindern.

Wird Abbas durch seine jetzige Vermittlerrolle im Gazastreifen gestärkt?

Er wird dann eine bessere Position im Gazastreifen und in der Westbank erlangen, wenn er eine gute Perspektive für die Menschen in Gaza erreichen kann. Seine Position hängt sehr davon ab, ob er durch Verhandlungen mit der israelischen Seite den Menschen in Gaza ein besseres Leben ermöglichen kann.

Ist es denn im Sinne Israels, dass Abbas wieder eine stärkere Rolle im Gazastreifen spielt?

Die USA und die Europäer sind davon überzeugt, dass er die Kontrolle im Gazastreifen haben muss. Eigentlich hat die Hamas ihre Macht in Gaza seit dem 2. Juni - mit der Bildung der Einheitsregierung - abgegeben. Israel wollte den Gazastreifen nicht nur geografisch, sondern auch politisch gespalten halten.

Mit welchem Ziel?

So kann Israel beide Seiten, die Hamas und die Palästinensische Autonomiebehörde, schwach halten. Die Palästinenser könnten vielleicht ein bisschen stärker sein, wenn sie eine Einheit sind. Ein erfolgreicher Friedensprozess hängt also davon ab, ob der Gazastreifen und die Westbank als politische Einheit betrachtet werden.

Wenn Abbas wieder mehr Einfluss gewinnt in Gaza, wird doch die Spaltung immer geringer innerhalb der Palästinenser.

Die Menschen hier in Gaza wollen eine neue politische und wirtschaftliche Perspektive. Die Weltgemeinschaft war in den vergangenen Jahren gegen den Gazastreifen, auch die benachbarten Staaten. Deswegen brauchen wir eine neue Alternative für den Gazastreifen und Abbas könnte dabei eine Rolle spielen. Man erwartet auch von den USA und den Europäern, dass Abbas Rückhalt erhält und man dadurch den Druck auf Israel erhöht, Abbas zu erlauben, im Gazastreifen seine Macht auszubauen.

Wie viel Rückhalt hat denn Abbas noch beim gesamten palästinensischen Volk?

Die Sicherheitskoordination mit Israel sehen die Palästinenser gar nicht gerne. Sie sehen es auch als Verrat am Volk. Aber solange er für das Volk gute Ergebnisse einfährt, nehmen sie das hin. Die Palästinenser wollen einfach eine politische und wirtschaftliche Perspektive haben.

Usama Antar arbeitet als Politikwissenschaftler in Gaza-Stadt.

Das Interview führte Diana Hodali.