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Fußball als Statussymbol

Zakhar Butyrskyi9. Juni 2012

Der Fußball ist in der Ukraine der populärste Sport. Die meisten Vereine gehören reichen Unternehmern. Es ist ein Luxus-Hobby, das den Geschäftsleuten öffentliches Ansehen und Einfluss bringt.

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Bild: picture alliance/dpa

"Bei uns ist der Fußball nicht so populär in der Gesellschaft wie in Europa oder in Deutschland", sagt Igor Miroschnitschenko, Sportkommentator und Politiker in der Ukraine. "Denn wir haben sehr viele interne politische und soziale Probleme. Aber das Interesse ist relativ groß. Während der WM 2006 in Deutschland hat die ganze Ukraine bei den Live-Übertragungen mitgefiebert. Selbst die Hausfrauen wussten, wie die Nationalelf auftrat."

Der einheimische Fußball-Wettbewerb wird seit Jahren von zwei Vereinen dominiert. Vor ein paar Wochen gewann wieder einmal Schachtar Donezk die Meisterschaft, zum siebten Mal in insgesamt 21 Spielzeiten. Dynamo Kiew hält den Rekord von 13 gewonnenen Meisterschaften. Niemanden wundert es, dass inzwischen immer nur einer der beiden Klubs die Tabelle anführt.
 

Schachtar - Fußballdominanz aus dem Osten

In den letzten Jahren dominiert Donezk – nicht nur auf dem Fußballplatz. Denn auch in der Politik bestimmen derzeit fast ausschließlich die Leute aus der Industrieregion im Osten der Ukraine. Für die Siege auf dem Rasen sind vor allem ballstarke Brasilianer verantwortlich. Sie wurden für viel Geld im Kader verpflichtet. Seine Kaufkraft verdankt der Klub den Geldspritzen von Rinat Achmetow. Der Unternehmer aus Donezk ist der Reichste unter den ukrainischen Milliardären. Er ist Eigentümer und Präsident des FK Schachtar. Doch was fehlt, ist ein wirklich starker Gegner. Denn Dynamo Kiew, geschweige denn andere Klubs, können den inzwischen regelmäßigen Siegeszug der Donezker nicht aufhalten.
 

Rinat Achmetow, Unternehmer und Präsident des Fußballklubs Schachtar Donezk (Foto: DW)
Rinat Achmetow, Unternehmer und Präsident des Fußballklubs Schachtar DonezkBild: picture-alliance/ZB

"Dynamo, lange Zeit das Symbol des ukrainischen Fußballs, zeigt heute nicht mehr das Spiel, das von den Fans in Kiew erwartet wird", erklärt Miroschnitschenko, der einige Jahre als Pressesprecher die Nationalmannschaft  betreute. "Dynamo hat dieses Jahr wieder die Meisterschaft verloren, wieder dominiert Donezk, finanziell wie spielerisch. Entsprechend gering ist das Zuschauerinteresse mittlerweile.
 

Ein Ticket für einen Euro

Im Schnitt besuchen rund 10.000 Zuschauer ein Spiel der nationalen Liga. Auch wenn ein Sitzplatz nur ein bis sechs Euro kostet, sind die Stadien nur selten ausverkauft. Die Europameisterschaft im Juni werde dem ukrainischen Fußball neue Impulse bringen, sagte Nationaltrainer Oleg Blochin in einem DW-Interview. Seine Elf nimmt zum ersten Mal an einer EM teil. Bei der WM 2006 in Deutschland hatte Blochin die Ukrainer überraschend bis ins Viertelfinale gebracht.

Fußballfans von Dynamo Kiew im neuen Stadion (Foto: DW)
Fußballfans von Dynamo Kiew im neuen StadionBild: DW

Die Erwartungen an ihn sind jetzt entsprechend groß. Der Trainer bleibt zurückhaltend: "Wenn mehr ukrainische Spieler bei europäischen Spitzenvereinen spielten, hätte unser Team mehr Erfahrung. Teilweise ist unsere nationale Fußballmeisterschaft unter dem Niveau der großen nationalen Ligen Europas."

Die Eigentümer der oberen Liga
 

Das Interesse reicher Unternehmer am Fußball leidet darunter nicht. Der Ballsport ist für die Mäzene weniger ein Geschäft, sondern eher ein Luxus-Hobby, ein Statussymbol. Sie bekommen dadurch öffentliche Anerkennung und ein besonderes Gewicht im Kreis der reichen Unternehmer. Der Einfluss dieser Oligarchen reicht hinauf bis in die Politik.

Der Großteil der Vereine in der ukrainischen Top-Liga ist in den Händen solcher Oligarchen. Rinat Achmetow, der Fußballpräsident aus Donezk, verfügt über enge Verbindungen zu Staatspräsident Wiktor Janukowitsch, der ebenfalls aus Donezk stammt. Neben Schachtar gehört Achmetow der Klub Illitschiwez Mariupol. Seine Finanzstrukturen kontrollieren auch Sorja Luhansk. Und PFK Sewastopol befindet sich im Besitz vom Achmetows Geschäftspartner Wadim Nowinski.

Igor Kolomojski, Geschäftsmann aus Dnipropetrowsk, hat es sogar geschafft, gleich drei Vereine zu kaufen: FK Dnipro, FK Krywbas und Arsenal Kiew. Nun droht ihm eine Antimonopolklage, denn eine derartige Konzentration erlauben weder die ukrainischen Gesetze noch die Richtlinien der Europäischen Fußball-Union UEFA.

Ukrainische Fans hoffen auf Erfolg ihrer Mannschaft (Foto: AP/dapd)
Ukrainische Fans hoffen auf Erfolg ihrer MannschaftBild: dapd

Ein Stabwechsel steht bevor

Petro Dyminski, Chef von Karpaty Lwiw, und Grigori Surkis, früher Präsident von Dynamo Kiew, sind die einzigen Nicht-Milliardäre unter den Inhabern der Vereine in der ersten ukrainischen Liga. Aber auch sie sind immerhin Multimillionäre. Besonders Grigori Surkis hat den ukrainischen Fußball geprägt. Fast 17 Jahre lenkte er als Spitzenfunktionär den Fußball. Als Präsident des nationalen Fußballverbandes holte Surkis die EM in die Ukraine. Er setzte sich erfolgreich für das Prestigeprojekt bei der UEFA ein. Gemeinsam mit Polen erhielt die Ukraine 2007 den Zuschlag. Die EM in diesem Juni wird nun die Karriere von Surkis krönen.

Grigori Surkis, Präsident der Ukrainischen Fußballföderation, mit dem EM-Pokal (Foto: dpa - Bildfunk)
Grigori Surkis, Präsident der Ukrainischen Fußballföderation, mit dem EM-PokalBild: picture-alliance/ dpa

Aber im nationalen Fußball hat er mit den Leuten aus dem Osten nicht immer eine gemeinsame Sprache gefunden. Der Konkurrenzkampf zwischen den mächtigen Großunternehmern aus Donezk und Kiew, der nicht nur auf dem Rasen ausgetragen wird, ist offenbar entschieden. Denn dem Vernehmen nach wird Surkis spätestens im Herbst als Präsident des ukrainischen Fußballverbandes zurücktreten. Gut möglich, dass der neue Chef dann aus dem Osten der Ukraine kommt.