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Angst in Mosambik

Johannes Beck27. Juni 2013

Mosambik galt seit dem Ende des Bürgerkrieges 1992 als Musterland für Frieden und Demokratie. Doch die Realität sieht inzwischen anders aus: Praktisch täglich kommt es an einer strategisch wichtigen Straße zu Anschlägen.

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Brücke über den Save-Fluss (Foto: DW/Johannes Beck)
Brücke über den Save-FlussBild: DW/Johannes Beck

Autos und Lastwagen stehen in kilometerlangen Schlangen. Die Fahrer warten die ganze Nacht, um bei Anbruch des Morgengrauens von Militärfahrzeugen eskortiert die Reise im Konvoi fortzusetzen. Bilder, die alle Mosambikaner noch aus dem 1992 zu Ende gegangenen Bürgerkrieg im Kopf haben und die sich nun - über 20 Jahre später - an der Nationalstraße EN 1 wiederholen. Genauer gesagt: auf dem Streckenabschnitt nördlich der Brücke über den Save-Fluss.

Dieses Gebiet hat die ehemalige Rebellengruppe und größte Oppositionspartei des Landes, RENAMO, am Donnerstag (20.06.2013) zum Sperrgebiet erklärt - doch die Straße wird weiter befahren. Angreifer haben dort seitdem zahlreiche Kraftfahrzeuge, Lastwagen und Busse beschossen. Mindestens drei Menschen haben sie dabei getötet, zahlreiche weitere verletzt. Die RENAMO selbst übernahm bisher allerdings nicht die Verantwortung für diese Angriffe.

Angst vor einem neuen Bürgerkrieg

Der RENAMO-Führer, Afonso Dhlakama, hat sich in das Örtchen Satunjira nahe dem Gorongosa-Nationalpark zurückgezogen. Um ihn vor möglichen Attacken mosambikanischer Militär- oder Polizeiverbände aus der Hauptstadt Maputo im Süden zu schützen, versucht die RENAMO, den Verkehr auf der EN 1 zu blockieren. Der betroffene Abschnitt der Nationalstraße EN 1 ist ein Nadelöhr im mosambikanischen Straßennetz. Jeder, der vom Süden ins Zentrum oder in den Norden fahren will, muss hier durch. Alternative Straßen gibt es keine.

Kinder und Jugendliche verkaufen Cashew-Nüsse an einer Tankstelle in Muxungué
Kinder und Jugendliche verkaufen im November Cashew-Nüsse an der E1Bild: DW/Johannes Beck

"Wir leben ein Klima der Angst", sagt José Mucote. Der Direktor des regionalen DW-Partnersenders Rádio Save hat am Sonntag (23.06.2013) die Strecke befahren. Zwar zeige sich die Bevölkerung der Distrikte, die direkt an dem betroffenen Abschnitt der EN 1 liegen, recht gleichgültig, erzählt er, "aber die Menschen der Nachbarregionen haben Angst, dass es eine Rückkehr zum Bürgerkrieg geben könnte."

Rückkehr in die alten Rebellen-Hochburgen

Das dünn besiedelte und von schwer zu durchdringenden Büschen geprägte Hinterland der Provinz Sofala nördlich des Save-Flusses ist das ideale Terrain für die ehemaligen Rebellen. Bereits während des Bürgerkriegs befand sich deren Kommandozentrale im Gorongosa-Nationalpark. Sie kennen sich hier gut aus und können mit wenigen Angriffen großen Schaden anrichten.

Im Umfeld des Parks verlaufen neben der Nationalstraße EN 1 weitere der strategisch bedeutendsten Transportlinien Mosambiks: im Süden der Beira-Korridor, über deren Eisenbahnlinie und Straße die Nachbarländer Simbabwe und teilweise auch Malawi versorgt werden. Im Osten die Sena-Bahnlinie, über die Kohle aus der Region Tete zum Export in den Hafen von Beira transportiert wird. Auf beiden Linien hat die mosambikanische Eisenbahngesellschaft CFM aus Angst vor Anschlägen bereits den Passagierverkehr eingestellt.

Karte von Zentral-Mosambik
Mehrere strategisch wichtige Straßen und Bahnlinien durchqueren das Zentrum MosambiksBild: DW

Droht ein Ende des Kohlebooms?

Am Mittwoch (26.06.2013) stoppte die australisch-britische Bergbaugesellschaft Rio Tinto ihre Güterzüge auf der Sena-Linie. Sie produziert die zweitgrößte Menge an Kohle in Mosambik. Die größte Gesellschaft, die brasilianische Vale, lässt weiter Züge fahren, hat aber deren Geschwindigkeit reduziert. Sollte die unsichere Situation andauern, könnte dies den Wirtschaftsboom in der Kohleprovinz Tete abwürgen. Hier haben mehrere Konzerne Milliarden investiert, um die dortige Kokskohle zu exportieren. Bereits in der Vergangenheit hatte es technische Probleme mit der Sena-Bahnlinie gegeben. Vale baut derzeit eine Alternativ-Linie über Malawi zum Hafen von Nacala in Nord-Mosambik.

Brücke über den Save-Fluss
Brücke über den Save: Ab hier wird es gefährlichBild: DW/Johannes Beck

Fast täglich kam es in den vergangenen Wochen in Mittelmosambik zu Angriffen. Die meisten Tote gab es am 18.06.2013 bei einem Überfall auf das Waffenlager der mosambikanischen Armee im Örtchen Savane. Dabei töteten bisher unbekannte Angreifer sieben Soldaten.

Siebenmal verhandelt, siebenmal ohne Ergebnis

Seit Ende letzten Jahres haben sich Regierung und RENAMO immer wieder zu Verhandlungsrunden in der Hauptstadt Maputo getroffen. Aber auch das inzwischen siebte Treffen dieser Art am Montag (24.06.2013) führte nicht zum Ziel. "Selbst ein Blinder kann erkennen, dass hier beide Seiten immer weiter verhandeln, aber ohne, dass es greifbare Ergebnisse gibt", beklagt Sultan Mussa, Programmbeauftragter der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung in Mosambik.

Im Mittelpunkt des Streits zwischen Regierung und RENAMO steht die Frage nach den Mitgliedern der Nationalen Wahlkommission CNE. Die Kommission wurde im Zuge der anstehenden Kommunalwahlen reformiert, ihre Mitglieder werden von den Parteien proportional zur Anzahl der Palamentssitze gestellt. Die FRELIMO kommt demnach auf fünf Sitze, die RENAMO auf zwei, die drittgrößte Oppositionspartei MDM auf einen; drei weitere Mitglieder werden aus der Zivilgesellschaft berufen. Die RENAMO fordert jedoch gleich viele Mitglieder in der Wahlkommission wie die Regierungspartei FRELIMO. "Die Regierung sollte etwas nachgeben", empfiehlt Sultan Mussa, denn die FRELIMO kontrolliere weite Teile des Staates und der Medien.

Plakat des RENAMO-Führers Afonso Dhlakama (Foto: Gerald Henzinger)
Plakat des RENAMO-Führers Afonso DhlakamaBild: Gerald Henzinger

RENAMO-Rebellen sehen sich um die Früchte des Friedens geprellt

20 Jahre nach dem historischen Friedensschluss in Rom, der einen der blutigsten Bürgerkriege Afrikas beendete, sieht sich die RENAMO getäuscht. Sie wirft der ehemals marxistischen FRELIMO vor, den Staat zu dominieren und sich auch wirtschaftlich zu bereichern. Viele ehemalige RENAMO-Rebellen verlangen einen besseren Zugang zur Armee und möchten bei der Auswahl von Beamten und Direktoren staatlicher Unternehmen berücksichtigt werden.

"In der Praxis sieht das so aus: Eine Person wird für eine bestimmte Funktion im Staatsapparat oder einer staatlichen Firma nominiert und am nächsten Tag oder schon früher findet er dann auf seinem Schreibtisch ein Formular für den Beitritt zur Regierungspartei FRELIMO", schildert Fernando Lima, politischer Analyst und Direktor der privaten Mediengruppe Mediacoop aus Maputo, zu der unter anderem der DW-Partnersender Savana FM gehört. "So etwas passiert ständig und das ist eine Situation, die die überwältigende Mehrheit der Direktoren im Staatsapparat oder in den staatlichen Firmen kennen."

Am 20. November finden in Mosambik Kommunalwahlen statt. Bisher hat die RENAMO sich nicht am Wahlprozess beteiligt und gedroht, die Wahlen zu boykottieren. Sollte es tatsächlich soweit kommen, drohen noch unruhigere Zeiten in Mosambik.