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Angela I.

Kay-Alexander Scholz23. September 2013

Rekordergebnis für Merkel: Manche sagen, die Kanzlerin regiere Deutschland wie eine Königin. In einer Demokratie ist das kein Kompliment. Ihre Machtfülle, ihr Image und der Wahlkampf erklären diesen Eindruck.

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Porträtfoto Angela Merkel (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Als Angela Merkel im Jahr 2005 das erste Mal Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland wurde, gab es nicht wenige Stimmen, die daran zweifelten, ob sie überhaupt den Machtwillen für das Amt der Kanzlerin habe. Kaum jemand hätte damals wohl geglaubt, dass gerade diese Frau sogar für eine dritte Amtszeit gewählt werden könnte. Das haben bisher nur die beiden CDU-Kanzler Konrad Adenauer (1949 bis 1963) und Helmut Kohl (1982 bis 1998) geschafft.

Doch Merkel ist nicht zufällig oder nebenbei Kanzlerin geworden. Ihren Willen zur Macht zeigte sie schon lange, bevor sie erstmals ins Kanzleramt einzog. Mitten in einer Parteispendenaffäre der CDU kündigte sie ihrem politischen Ziehvater Helmut Kohl in einem Zeitungsartikel öffentlich die Gefolgschaft. Kurz darauf wurde sie Bundesvorsitzende der CDU. Erfahrungen als Bundesministerin hatte sie zuvor bereits im Kabinett von Kanzler Kohl gesammelt.

Symbolfigur in Europa

Merkels Machtinstinkt, ihr taktisch-strategisches Geschick und ihre Anpassungsfähigkeit haben sie zu einer der bedeutendsten Politiker der Gegenwart in Deutschland und Europa gemacht.

Deutschland werde gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, versprach sie den Bürgern. Und tatsächlich scheinen die seit Jahren guten Wirtschafts- und Arbeitslosenzahlen das Versprechen einzulösen. Im Ausland tritt sie als strikte Verteidigerin deutscher Interessen auf. Egal, ob nach G8-Treffen oder EU-Gipfeln: Immer vermittelt sie den Eindruck, deutsches Geld sei gut in ihren Händen aufgehoben. In der angelsächsischen Welt, wohin die Deutschen gern schauen, gilt Merkel als mächtigste Frau der Welt.

In der europäischen Wirtschafts- und Finanzkrise wurde sie zur Symbolfigur der Euro-Rettungspolitik. Nicht nur Deutschland, sondern auch Europa solle gestärkt aus der Krise hervorgehen, sagte Merkel. Finanzielle Hilfe für andere ja, aber nur unter Auflagen, so der Kern dieser Politik. Das ist ihr Weg, Europa wettbewerbsfähiger zu machen.

Merkel krempelte die CDU um

Aber auch die eigene Partei zu Hause in Deutschland hat Merkel nachhaltig geprägt. Sie hatte am Anfang viele Konkurrenten in der CDU. Diese haben aufgegeben, wurden von ihr an den Rand gedrängt oder stolperten über Affären. Für Merkel sind Illoyalität oder politische Schwäche klare Ausschlusskriterien. Politik braucht Macht. Ihre nutzte sie, um programmatisch viel zu verändern - und damit die CDU weiter in die Mitte des politischen Spektrums zu rücken. Themen wie Wehrpflicht, Atomkraft und ein klassisches Familienbild gehörten einst zum Kern christdemokratischer Überzeugungen. Merkel änderte das, zuletzt mit dem Beschluss zum Ausstieg aus der Atomkraft.

Kritiker sagen, sie habe die eigene Partei profilloser oder sozialdemokratischer gemacht und werfen ihr Opportunismus vor. Einige CDU-Mitglieder wechselten deshalb wohl zur neu gegründeten Partei "Alternative für Deutschland". Bei den jungen Menschen scheint Merkels Kurs Erfolg versprechend zu sein: Bei einer zwar nicht repräsentativen, aber dennoch breit angelegten Umfrage unter Jugendlichen unter 18 Jahren konnte sich die CDU von Platz drei im Jahr 2009 auf Platz eins vorarbeiten.

Merkel führt sicher durch Krisenzeiten

Seit Jahren genießt Merkel einen vergleichsweise hohen Rückhalt bei den Bürgern. Den hat sie sich auch durch eine machtbewusste Imagepolitik erarbeitet. Verunsichert durch die Krisen bediente die Kanzlerin die Sehnsucht der Deutschen nach Stabilität und Orientierung. "Irgendwie leidenschaftslos und nüchtern, aber ernsthaft und authentisch ist sie im Dienst für die Wähler und nicht für sich selbst unterwegs", beschreibt der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte das Image Merkels.

Auch äußerlich sendet Merkel Signale der Stabilität. Ihre Frisur ändert sie seit Jahren nur in Nuancen. Ihre Business-Outfits unterscheiden sich allein in der Farbe der immer gleichen Art von Blazern, meist getragen über einer einfachen schwarzen Hose. Da mag die Welt draußen noch so stürmisch sein, in den TV-Nachrichten sieht Merkel aus wie gewohnt und strahlt ihre typische Unaufgeregtheit aus. Jüngstes Beispiel für diese Imagepolitik war während des Wahlkampfs am Berliner Hauptbahnhof zu sehen - und nicht zu übersehen. Auf einem fast 2400 Quadratmetern großen Poster war Merkels wohl typischste Handhaltung zu sehen: die Raute. Dazu stand geschrieben: "Deutschlands Zukunft in guten Händen".

Wahlplakat: Merkels Raute, bestehend aus 2150 einzelnen Hand-Motiven der Kanzlerin und der Schriftzug: Deutschlands Zukunft in guten Händen
Merkel-Raute: Das Wahlplakat besteht aus 2150 einzelnen Hand-Motiven der KanzlerinBild: Imago

Das Wahlposter war exemplarisch für einen Wahlkampf, bei dem die CDU ganz auf die Kanzlerin als Person setzte. Deshalb aber musste Merkel etwas mehr von ihrem privaten Leben preisgeben, beziehungsweise der Öffentlichkeit wohl dosierte Ausschnitte davon präsentieren. So zeigte sie sich im Urlaub als "Großmutter Merkel" zusammen mit den Enkelkindern ihres Ehemanns Joachim Sauer. Über ihn erfuhr die Öffentlichkeit auch, dass ihm immer zu wenig Streusel auf dem Streuselkuchen liegen.

Persönlich, aber nicht privat

Doch eine echte Homestory fehlt bis heute. Bekannt ist allein: Merkel und ihr Mann leben in einer Altbauwohnung im historischen Zentrum Berlins. Ihre freien Tage verbringt sie in der Uckermark, einer sehr ländlichen Gegend zwischen Berlin und der Ostsee. Dort wuchs sie auf. Ihre Mutter lebt noch immer dort. Ihr Vater, ein Theologe, starb 2011. Merkel werbe zwar mit ihrer Persönlichkeit, aber wirklich Privates erfahre man trotzdem nicht, sagt Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte. Letztlich zähle nur das, was Merkel öffentlich sichtbar als Kanzlerin leiste.