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Amnesty gegen Boykott von Sotschi

Naomi Conrad4. Dezember 2013

Trotz Menschenrechtsverstößen in Russland fordert Amnesty International keinen Boykott der Olympischen Winterspiele 2014: Sportler und Funktionäre sollten diese nutzen, um auf Probleme aufmerksam zu machen.

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Imke Dierßen in Berlin (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Wir wollen, dass diejenigen. die nach Sotschi reisen, Menschenrechte im Gepäck haben und sie dort auch auspacken", sagte Imke Dierßen, Leiterin der Abteilung Länder, Themen und Asyl bei Amnesty International auf einer Pressekonferenz am Mittwoch (04.12.2013) in Berlin.

Bei Amnesty International habe man sich "einhellig" darauf geeinigt, keinen Boykott zu fordern. Wenn Funktionäre und Sportler sich deutlich gegen die Verstöße äußerten, dann sei das ein gutes Druckmittel, so Dierßen. Die Menschenrechtsorganisation kritisierte, dass sich die Lage der Menschenrechte in Russland seit dem erneuten Amtsantritt von Präsident Wladimir Putin im vergangenen Jahr weiter verschlechtert habe. So seien demokratische Rechte, wie das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit "drastisch beschnitten" worden, erklärte Dierßen. Seit 2011 seien über 100 Demonstrationen von der Polizei verboten oder aufgelöst worden.

SPD "zurückhaltend" mit Kritik an Putin

Das sogenannte "Agenten-Gesetz", durch das sich Nichtregierungsorganisationen, die Spenden und Gelder aus dem Ausland erhalten, als "ausländische Agenten" registrieren müssen, diene dazu, "unliebsame Kritiker aus der russischen Zivilgesellschaft zu schikanieren und ihnen die Arbeit zu erschweren." Amnesty sprach sich außerdem gegen ein Gesetz aus, das "homosexuelle Progaganda" unter Strafe stellt. Die "ohnehin schon schwierige Situation von Homosexuellen" in Russland werde dadurch noch weiter verschärft, so Dierßen. "Amnesty fordert ein Ende dieser Schikane."

Aktivisten protestieren in Russland (Foto: Lefferis Pitarakis(AP)
Aktivisten demonstrieren gegen das Gesetz gegen "homosexuelle Propaganda"Bild: picture-alliance/dpa

In der ersten Version des Koalitionsvertrags, den Union und SPD in Berlin ausgehandelt haben, sei noch deutlich Bezug auf die schlechte Lage der Menschenrechte in Russland genommen worden. Dieser Bezug sei allerdings aus der endgültigen Fassung gestrichen worden. "Das bedauern wir sehr", erklärte Dierßen. Amnesty erwarte, dass die zukünftige Bundesregierung "deutliche Worte gegenüber Putin findet". In der Vergangenheit habe sich die SPD mit der Kritik zurückgehalten, während die Union "viel offener ist", so Dierßen. So habe Bundeskanzlerin Angela Merkel oft klare Worte gefunden und sich mit Menschenrechtsaktivisten getroffen.

Koalitionsvertrag vernachlässigt Flüchtlinge

Amnesty International lobte die Bundesregierung für die Aufnahme von 5000 syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen, während etwa Spanien lediglich 30 Flüchtlinge aufnehmen werde. Positiv sei außerdem, dass sich Deutschland verpflichtet habe, sich auch nach 2014 am Resettlement-Programm des UN-Flüchtlingswerkes UNHCR zu beteiligen.

Gegen Willkür und Gewalt: Offensiv für die Menschenrechte

Drießen nannte es aber ein "schweres Versäumnis", dass sich die Verhandlungspartner in Berlin auf keine andere Flüchtlingspolitik geeinigt hätten. Spätestens seit der Bootskatastrophe vor Lampedusa hätte es eine Kehrtwende in der europäischen Flüchtlingspolitik geben müssen. Denn oft gleiche die Flüchtlingspolitik in Europa einem "Lotteriespiel": So würden 95 Prozent aller syrischen Asylbewerber in Deutschland als Flüchtlinge anerkannt, in Griechenland aber weniger als ein Prozent. Die nächste Bundesregierung müsse sich für einen einheitlichen Schutz in Europa einsetzen.

Amnesty forderte außerdem die Konfliktparteien in Syrien auf, humanitären Hilfsorganisationen Zugang zur Zivilbevölkerung zu gewähren. Religiöse Minderheiten wie Christen, aber auch Alawiten und Sunniten, seien besonders gefährdet, erklärte Ruth Jüttner. Die Menschenrechtsverletzungen seien dramatisch, so die Nahost-Expertin von Amnesty International. "Wir gehen in vielen Fällen davon aus, dass es Kriegesverbrechen sind." Diese müssten endlich vom Internationalen Strafgerichtshof geahndet werden.