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Al-Shabaab-Drohung: "Video ist verzeifelter Versuch"

Gero Schließ25. Februar 2015

Die neue Terrordrohung von Al-Shabaab hat die USA aufgerüttelt. Doch möglicherweise kämpfen die somalischen Islamisten nur gegen den eigenen Bedeutungsverlust. Aus Washington: Gero Schließ

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Mall of America in Bloomington (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/dpa7AP Photo/Star Tribune/Jerry Holt

"Westgate war nur der Beginn", heißt es drohend in einem Propagandavideo von Al-Shabaab, in dem die radikal-islamische Miliz zu Anschlägen auf Einkaufszentren in Europa und Amerika aufruft. Neben der "Mall of America" im nördlichen US-Bundesstaat Minnesota werden auch zwei Einkaufszentren in Kanada und Großbritannien als mögliche Ziele genannt.

Die Terrordrohung macht Schlagzeilen

Der verheerende Anschlag der Miliz auf die "Westgate Mall" in Nairobi ist noch gut in Erinnerung. Er hatte 67 Menschen das Leben gekostet und die Welt im September 2013 mehrere Tage lang in Atem gehalten. Dass Al-Shabaab nun zu einem Anschlag auf die belebte "Mall of America" aufgerufen hat, bestimmt derzeit die Nachrichten von CNN, Fox und anderen amerikanischen TV-Sendern. "Mit Blick auf die Möglichkeiten von Al-Shabaab wäre es ein signifikanter Sprung, so einen Anschlag so weit von ihrem Operationszentrum zu verüben", relativiert Richard Downie, Afrikaexperte der Centers for Strategic and International Studies (CSIS), indes die Bedeutung des Videos. Die Organisation habe bisher nur regional in Somalia und den Nachbarstaaten operiert. "Jüngste Entwicklungen weisen sogar darauf hin, dass Al-Shabaab nicht stärker, sondern schwächer geworden ist", so Downie.

Gefahr durch "Einsamen Wolf"

"Man sollte jede dieser Terrordrohungen ernst nehmen", sagt hingegen Celina Realuyo, Professorin an der National Defense University, der Deutschen Welle. Al-Shabaab müsse nicht unbedingt eigene Terroristen in die USA schicken, um einen Anschlag zu verüben. Die Gefahr liege viel näher: "Wir sind vor allem besorgt darüber, dass durch die Sozialen Medien hier in den USA Menschen angesprochen werden, die empfänglich sind für die Ideologie gewalttätiger Extremisten." Es sei nicht auszuschließen, so die Terrorexpertin, dass "einsame Wölfe" dann selber sogenannte weiche Ziele attackieren, zu denen für die Terroristen auch Einkaufszentren zählen.

Richard Downie, Afrikaexperte von CSIS in Washington (Foto: CSIS/DW)
Afrikaexperte Downie: "Al-Shabaab ist zuletzt schwächer geworden"Bild: CSIS

Hinzu komme, dass Al Shabaab möglicherweise Vergeltung für tödliche US-Drohnenangriffe üben wolle: "Im Herbst des vergangenen Jahres gab es einen erfolgreichen Drohnenschlag gegen ihren Anführer. Die Frage ist, wer seinen Platz eingenommen hat und ob diese Gruppen wirklich in Hierarchien operieren oder dezentral organisiert sind."

Keine konkreten Anhaltspunkte

US-Heimatschutzminister Jeh Johnson und das zuständige FBI haben die Sicherheitsvorkehrungen für die "Mall of America" zwar erhöht, sehen aber "keine glaubhaften Anhaltspunkte" für die Vorbereitung eines Anschlags auf dieses oder andere Einkaufszentren in den USA. Der Sender CNN deutet diese Aussage als ein "Herunterspielen" der Gefahr. Richard Downie sieht dies anders: "Das Video ist ein verzweifelter Versuch, Menschen zu radikalisieren. Es ist mehr eine Hoffnung als eine reale Erwartung", sagt er gegenüber der Deutschen Welle. Die Reaktion der Washingtoner Regierung findet er angemessen.

Al-Shabaab-Kämpfer während einer Parade in Somalia (Foto: AP)
Al-Shabaab-Anhänger wollen mit Gewalt einen islamischen Staat am Horn von Afrika erzwingenBild: picture alliance/AP Photo/Sheikh Nor

Celina Realuyo rät hingegen zur Vorsicht: "Die 'Mall of America' ist immer schon als ein bevorzugtes Ziel für Terrorgruppen eingestuft worden. Nicht nur von Al-Shabaab, sondern auch schon von Al Kaida."

Große somalische Diaspora

Beunruhigt zeigt sich die Sicherheitsexpertin darüber, dass Al-Shabaab für die Organisation von Anschlägen auf Landsleute zurückgreifen könnte, die ganz in der Nähe der "Mall of America" leben. Denn im US-Bundesstaat Minnesota lebt heute eine große Gemeinschaft von Exil-Somaliern, die in den 1990er Jahren vor dem blutigen Chaos im eigenen Land geflohen sind. Offizielle Zahlen sprechen von 35.000 Somaliern, doch lokale Experten und die örtliche Zeitung "Star Tribune Minneapolis" halten dagegen Schätzungen für realistisch, die von 80.000 Somaliern ausgehen.

Somalische Minderheit in den USA (Foto: MCT)
Straßenszene aus Minneapolis: Zehntausende Somalier leben seit den 1990er Jahren in den USA.Bild: picture alliance/landov

Erfolgreiche Rekrutierung

Viele Somalier, so Realuyo, versuchten sich zu integrieren, aber die hohe Zahl an Arbeitslosen und Schulabbrechern zeige, dass sie keineswegs integriert seien. Eine gefährliche Entwicklung, denn wer sich nicht akzeptiert fühle und in der Gesellschaft verankert sei, werde anfällig für ideologische Lockrufe.

In der somalischen Community waren Al-Shabaab und der sogenannte Islamische Staat mit ihren Rekrutierungen offensichtlich erfolgreich. Celina Realuyo spricht von mehreren dutzend jungen Somaliern, die mit den Terrormilizen gekämpft hätten oder noch kämpfen würden. Die Professorin an der National Defense University sieht trotz dieser vergleichsweise geringen Zahl an somalischen Kämpfern reale Terror-Gefahren für ihr Land. "Weitere junge Männer, die sich in die US-Gesellschaft weder sozial, ökonomisch oder politisch integrieren, könnten sich von Al-Shabaab angezogen fühlen und rekrutieren lassen."

Heimatschutzministerium bald arbeitsunfähig?

Ausgerechnet in diese aufgeheizte öffentliche Diskussion fällt die Drohung der oppositionellen Republikaner, das Budget des Heimatschutzministeriums zu blockieren. Sie wollen damit Obamas Pläne für einen Abschiebestopp von mehr als vier Millionen illegalen Einwanderern blockieren. Doch bei einem Verwaltungsstillstand des Ministeriums wären auch die Mitarbeiter betroffen, die sich um Terrorabwehr kümmern. Präsident Obama warnte den Kongress denn auch eindringlich vor einer Blockade, prophezeit ansonsten "Auswirkungen auf die nationale Sicherheit". Für Celina Realuyo ist das allerdings nicht gleichbedeutend mit weniger Schutz für die US-Bürger: Es gebe viele andere Teile der Regierung, die hiermit beauftragt seien. "Das FBI ist die führende Institution für die Bekämpfung des Terrorismus im Inland. Es gehört zum Justizministerium und ist nicht von diesem Streit betroffen."