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Ameisen - Willenlose Roboter?

18. August 2010
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Nahaufnahme einer Ameise (Foto:AP)
Bild: AP

Pilze, die ins Gehirn eindringen und die Gedanken kontrollieren? Was sich für uns wie die Handlung eines Sciencefictionromans anhört, ist in der Welt der Insekten bittere Realität - und zwar seit Jahrmillionen!

Es ist schon lange bekannt: Spezielle Parasiten können in das Gehirn von Insekten eindrigen und deren Verhalten verändern. Ein Beispiel ist der Pilz Ophiocordyceps unilateralis, der sein Unwesen in den Wäldern Südostasiens treibt. Seine Opfer sind Tischlerameisen, die ihm zugleich als Brutkasten, Lebensgrundlage und Transportmittel dienen.

Fremdgesteuerte Roboterameisen

Wenn die Sporen des Pilzes auf den Panzer einer Tischlerameise treffen, bleiben sie haften, dringen in das Gehirn ein und beginnen dort zu wachsen. Ist der Parasit einmal im Hirn, manipuliert er das Verhalten seiner Wirtsameise, die normalerweise hoch in den Baumwipfeln des südasiatischen Dschungels lebt. Ist sie jedoch befallen, treibt es die Ameise hinunter zum Boden, wo die Lebensbedingungen für den Pilz wesentlich besser sind. Zwei Handbreit über der Erde beißt sich das Insekt an der Unterseite eines Blattes fest und stirbt, während über mehrere Wochen die mit Sporen gefüllten Fruchtkörper des Parasiten aus ihrem Kopf und Körper sprießen. Die reifen Pilzsporen werden vom Wind verteilt und in die Baumkronen getragen. Auf diese Weise kann Ophiocordyceps unilateralis ganze Ameisenkolonien auslöschen.

Wie erfolgreich der Parasit wirklich ist, zeigen neue Funde aus der Grube Messel bei Darmstadt. Bonner Paläontologen haben dort ein 50 Millionen Jahre altes fossiles Blatt entdeckt, das eindeutig zeigt: Parasiten, die bei ihren Wirten eine Verhaltensänderung erwirken können, muss es schon damals gegeben haben! Denn das Lochmuster auf dem Fossil stimmt genau mit den Bisspuren der von Parasiten befallenen südasiatischen Tischlerameisen überein.

Der Motor der Evolution

"Unsere Studie zeigt, dass es diese hochspezialisierte Form des Parasitismus schon sehr viel länger gibt als gedacht", erklärt Torsten Wappler von der Uni Bonn. Das Blatt aus der Grube Messel ist der erste fossile Nachweis einer durch Parasiten verursachten Verhaltensänderung überhaupt.

Der Fund ist interessant, weil es durch die Wechselbeziehungen zwischen Parasit und Wirt zu einem so genannten Wettrüsten kommt. Im Kampf ums Überleben sind beide ständig darauf angewiesen, neue Abwehr- und Angriffsmethoden zu entwickeln. Parasiten sind damit Öl im Getriebe der Evolution.

Autorin: Sophia Wagner
Redaktion: Julia Kuckelkorn