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Alle wollen mit Tsipras reden

Sabine Kinkartz, Berlin24. März 2015

Ein Abend für die Kanzlerin, ein Tag für Linke, Grüne, den SPD-Chef und den Außenminister. Für einen Abstecher zum Holocaust-Mahnmal fand der griechische Premier bei seinem Berlin-Besuch auch noch Zeit.

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Deutschland griechischer Ministerpräsident Alexis Tsipras besucht Holocaust Mahnmal (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/H. Hanschke

Den ganzen Dienstag schien es, als halte Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras Hof im Hotel Marriott in Berlin. Bis in den Nachmittag gaben sich deutsche Spitzenpolitiker in dem Hotel die Klinke in die Hand. Angefangen von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier über die linke Parteichefin Katja Kipping und den linken Fraktionschef Gregor Gysi, SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel bis zu den grünen Parteivorsitzenden Simone Peters und Cem Özdemir. Nur CDU und CSU blieben fern. "Ich kann mich auf das, was die Bundeskanzlerin berichtet, voll verlassen", sagte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt.

Der Sozialdemokrat Steinmeier war am Morgen der erste, dem der linke Politiker Tsipras Einzelheiten von seinem Gespräch mit der Bundeskanzlerin berichten konnte. Bis Mitternacht hatte sich ein Abendessen mit Angela Merkel im Kanzleramt hingezogen. Das insgesamt fast siebenstündige Gespräch sei in einer "guten und konstruktiven" Atmosphäre geführt worden, hatte der Regierungssprecher anschließend mitgeteilt.

Entspannung in der Tonlage

Es spricht einiges dafür, dass das auch Tsipras so empfunden hat. Er sei nicht nach Deutschland gekommen, um die Bundeskanzlerin zu bitten, die griechischen Renten und Gehälter zu bezahlen. "Wir müssen uns besser verstehen und einen Meinungsaustausch durchführen", sagte der Ministerpräsident am Montagabend. "Es gibt keinen anderen Weg als den des Dialogs, um bestehende Schwierigkeiten zu überwinden."

Deutschland Treffen Alexis Tsipras mit Frank-Walter Steinmeier (Foto: Reuters)
Erfreut über die verbesserte Tonlage: Bundesaußenminister Steinmeier mit Ministerpräsident TsiprasBild: Reuters/M. Gottschalk

Doch das allein wird nicht ausreichen. Frank-Walter Steinmeier fordert, die griechische Regierung müsse noch genauere Angaben über ihr Reformprogramm machen. Nach dem Treffen im Hotel Marriott zeigte er sich allerdings erfreut darüber, dass sich die Tonlage in den deutsch-griechischen Gesprächen deutlich verbessert habe. "Wir alle wissen genau, dass das noch nicht die Lösung für die finanzpolitischen Probleme ist, aber es ist ohne Zweifel eine Voraussetzung dafür, dass man sich in den nächsten Tagen in ernsthafte Gespräche miteinander begibt."

Entscheidungen nur in Brüssel

Die finanzpolitischen Schwierigkeiten Griechenlands würden nicht in Deutschland geklärt, wiederholte Steinmeier eine Aussage der Kanzlerin. Ein akzeptables Verhältnis zwischen Berlin und Athen scheint jedoch unabdingbare Voraussetzung für eine Einigung in Brüssel zu sein. Sowohl die Kanzlerin als auch der Bundesaußenminister geben sich inzwischen alle Mühe, Deutschland aus der Schusslinie zu ziehen.

Es sollte in Griechenland nicht der Eindruck entstehen, als sei alles im deutsch-griechischen Verhältnis zu klären, sagte Steinmeier nach dem Gespräch mit Tsipras. Auch Merkel hatte am Montag betont, Deutschland sei nur ein Mitgliedsland unter 19, die zum Euro gehören. "Die Entscheidungen über Liquidität, die Entscheidungen über die Richtigkeit von bestimmten Maßnahmen treffen die Mitglieder der Eurogruppe, also die Finanzminister, nachdem sie einen Vorschlag und eine Bewertung der drei Institutionen bekommen haben", so die Kanzlerin.

Ein Glücksfall für die Linke

Die Institutionen, das ist der früher Troika genannte Zusammenschluss der Europäischen Zentralbank, der EU-Kommission und des Internationalen Währungsfonds. Die Linken-Politikerin Katja Kipping vertritt allerdings die Ansicht, dass deren Vorstellungen von einer Reformliste weiterhin nicht zu dem passen würden, was in Athen erwogen wird. "Es stimmt einfach nicht, dass Griechenland keine konkreten Reformvorschläge unterbreitet hat", so Kipping nach dem Gespräch mit Tsipras. "Die Liste der 18 Maßnahmen ist ja sehr vertraulich, aber auf jeden Fall hat die griechische Regierung einige Vorschläge unterbreitet, wie sie ihre Einnahmesituation verbessern kann."

Deutschland Treffen Alexis Tsipras mit Gregor Gysi und Katja Kipping (Foto: Reuters)
Stehen sich politisch sehr nah: Die deutsche Linkspartei und die griechische Syriza-ParteiBild: Reuters/H. Hanschke

Die würden allerdings in erster Linie auf mehr Steuergerechtigkeit und Besteuerung der Reichen abzielen. "Offensichtlich sind diese Maßnahmen nicht im Interesse der Institutionen, die strikt auf einen neoliberalen Kurs setzen und meinen, man könne die Kassenlage eines Landes nur durch Sozialkürzungen verbessern", so Kipping. Dem aber will die griechische Regierung nicht folgen. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi sagte, Alexis Tsipras habe sich bei ihrem Gespräch "klipp und klar" gegen Privatisierungen und höhere Verbrauchssteuern ausgesprochen.

Fünf Jahre "Rettungsmodus"

Das politische Problem bestehe ohnehin darin, dass 18 Regierungen der Eurozone den neoliberalen Weg fortsetzen wollten, die neue griechische Regierung aber nicht, so Gysi. Tsipras habe versichert, seine Regierung werde einen "anti-neoliberalen Kurs" fahren. Der linke Fraktionschef ist der Meinung, die akuten Liquiditätsprobleme Athens ließen sich leicht lösen, wenn die Vermögen aller griechischen Steuerflüchtlinge in Luxemburg und anderen europäischen Staaten vorübergehend eingefroren würden.

Die Grünen sind zwar weit davon entfernt, für Tsipras Partei Syriza ähnliche Sympathien zu empfinden wie die Linken. Trotzdem fordert Fraktionschef Anton Hofreiter, die Bundeskanzlerin müsse sich "ganz eindeutig und klar" dazu bekennen, dass Griechenland Teil der Eurozone bleiben soll. "Wir erwarten von Frau Merkel, dass sie klar erläutert, wie nun nach fünf Jahren das Programm so gestaltet werden soll, dass es den Menschen in Griechenland und der Wirtschaft in Griechenland wieder besser geht."

Berlin Tsipras bei Merkel (Foto: AFP/Getty Images)
Lieber miteinander reden als übereinander: Bundeskanzlerin Merkel und Ministerpräsident TsiprasBild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Europa befinde sich seit fünf Jahren im "Griechenland-Rettungsmodus". Trotzdem sei es der Ökonomie und den Menschen in Griechenland Jahr für Jahr schlechter gegangen. Von der griechischen Regierung würden die Grünen erwarten, dass sie ihre Versprechen einhalte und umsetze, so Hofreiter. "Und das bedeutet insbesondere, die neue griechische Regierung, die nicht Teil des korrupten, alten oligarchischen Systems ist, die Korruption beendet und endlich dafür sorgt, dass alle Menschen in Griechenland, insbesondere die wohlhabenden Menschen in Griechenland, auch ihren Teil zur Finanzierung des Staates beitragen."

Besuch am Holocaust-Mahnmal

Gegen Mittag verließ Alexis Tsipras kurz sein Hotel und ließ sich mit einer Polizeieskorte zum nur wenige hundert Meter entfernten Holocaust-Mahnmal fahren. Ein Besuch mit Symbolkraft, streiten Athen und Griechenland doch auch über Reparationszahlungen und Entschädigungen für die im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht verübten Gräueltaten in Griechenland. Das sei allerdings in erster Linie keine Frage des Geldes, betonte Tsipras im Beisein der Bundeskanzlerin. "Das hängt auch nicht mit der augenblicklichen Krise, mit der Position Griechenlands in der Eurozone und mit der Notwendigkeit zusammen, schnell eine Lösung zu finden, um voranzukommen." Es handle sich vielmehr um ein rein bilaterales Thema, das vor allen Dingen eine "ethische Wertung" habe.

"Ich teile die Auffassung der Bundesregierung, dass das rechtlich und politisch geklärt ist", sagte dazu der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann. "Gleichwohl, wir müssen etwas tun, um das Verhältnis zwischen Deutschen und Griechen zu verbessern". Ein Ansatzpunkt sei möglicherweise der Zukunftsfonds zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen in Griechenland. Es habe in der Vergangenheit Versäumnisse bei der Aufarbeitung des deutsch-griechischen Verhältnisses gegeben, räumte Oppermann ein. Auch die Bundeskanzlerin war am Montag auf das Thema eingegangen. "Deutschland nimmt diese Aufgabe, dieses Bewusstsein wachzuhalten und es auch nicht beiseite zu stellen, sehr, sehr ernst, und in diesem Geist werden wir die Gespräche mit Griechenland auch weiterhin führen."