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Alltag für Aliaba

Miriam Braun (New York)22. September 2014

Der chinesische Online-Gigant Alibaba hat an der Wall Street einen märchenhaften Start hingelegt. Gut für die Firma, die Börse und den weltweiten Aktienhandel. Doch nun beginnt der graue Alltag.

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Alibaba / Wall Street / Börsendebüt
Bild: Reuters

Dicht gedrängt standen Händler und chinesische Geschäftsleute auf dem Parkett der New York Stock Exchange. Es sollte der größte Börsengang in der Geschichte des immerhin 222 Jahre alten Börsenplatzes werden. Nach monatelanger Vorbereitung sollten die Aktien des chinesischen IT-Giganten Alibaba erstmals gehandelt werden. Eine richtig große Sache für die Anwesenden. Verbunden mit großem Druck. Auch für die Betreiber der New Yorker Börse, die für eine reibungslose Abwicklung die Verantwortung trugen.

Dass sie noch eine Weile da stehen würden, ahnte die Menschenmasse nicht, als um Punkt 9:30 Uhr Alibaba-Kunden - und nicht Gründer Jack Ma selbst - die Eröffnungsglocke läuten ließen. Ganz nach seinem Credo: "Wenn meine Kunden und Investoren happy sind, dann bin ich happy." Die Beine der Wartenden wurden schwerer und die Spannung stieg: Mehr als zweieinhalb Stunden brauchten die Computer und Entscheider an der Wall Street, um die Nachfrage auf das Angebot anzupassen.

Jack Ma
Plus 36 Prozent: Wenn das kein Grund zur Freude ist...Bild: picture alliance/AP Photo/M. Lennihan

Jack Ma verlässt strahlend das Parkett

Drei Minuten nach Mittag ging der erste Trade dann endlich raus: Für 92,70 Dollar sollten die Anteilsscheine in den ersten Milli-Sekunden gehandelt werden. Danach hob die Aktie nur noch ab. Wie eine geölte Propellermaschine - oder passender, wie ein fliegender Teppich, flog sie schnurgerade, langsam und stetig zur 100-Dollar-Marke hinauf. Mit dieser wurde bereits innerhalb der ersten 30 Minuten geflirtet. Bis zu Handelsschluss pendelte sich das Papier bei fast 94 Dollar ein - plus 36 Prozent zum Ausgabepreis: Ein Traumstart.

Jack Ma selbst hatte diesen historischen Moment gar nicht mehr mitbekommen. Der Alibaba-Chef hatte rund eine halbe Stunde zuvor das Parkett winkend und mit einem Lausbuben-Grinsen im Gesicht verlassen. Auf dem Parkett gewitzelt: "Wahrscheinlich macht er noch ein Foto am Bronzebullen", dem Touristen-Magnet unweit der Wall Street. "Was wir heute bekommen haben, ist kein Geld", so Ma im Interview mit dem Nachrichtensender CNBC. "Wir haben Vertrauen bekommen. Von den Investoren."

Börsengang drei Mal geprobt

Tatsächlich können die ersten Minuten eines Börsenganges ausschlaggebend sein. Das technische Debakel beim Facebook-Börsengang vor zwei Jahren ließ das Papier noch in den kommenden Wochen deutlich straucheln. Bis heute haftet der Aktie, deren Wert sich immerhin inzwischen fast verdoppelt hat, ein negatives Image an. Ebenso wie der Technologiebörse Nasdaq die das Facebook-Listing damals vollzogen hatte.

Umso besser versuchte sich die Nyse zu schlagen. "Wir gehen selbstbewusst an die Sache ran, aber nicht überselbstbewusst", sagte Tom Farley, Präsident der New Yorker Börse. Berichten zufolge soll der Alibaba-Börsengang drei Mal vorab an Wochenenden simuliert worden sein. "Klar haben sie Facebook noch im Kopf an der Nyse", sagte Aite- Group Analyst David Weiss der Businessweek. "Sie werden extra vorsichtig sein." Die zweieinhalb Stunden Wartezeit sollten sich lohnen.

Jetzt weiß man: Der Börsengang war ein voller Erfolg für Farley, der den Chefsessel an der NYSE erst vor rund vier Monaten bestiegen hat. Der Handel mit Alibaba-Aktien wird seiner Börse im Laufe der Zeit Millionen an Listing-Gebühren einbringen. Sehr viel wichtiger jedoch: Es ist ein Schuss vor den Bug der Konkurrenzbörse Nasdaq. Die beiden Marktplätze konkurrieren heftig um große Tech-IPOs, die neben einem großen Handelsvolumen auch viel Aufmerksamkeit bringen.

Die Pferdefüße und vermeintlichen Maluspunkte von Alibaba-Aktien sind vorerst in den Hintergrund geraten. Zum Beispiel die starke Entscheidungsgewalt, die Jack Ma aufgrund der Firmenstruktur inne hat. "Bei Facebook hält auch Mark Zuckerberg die Entscheidungsmehrheit der Aktien", winkt Börsenbeobachter Jon Najarian im US-Fernsehen ab. "Und Google hat die Aktien sogar in zwei Klassen aufgespalten, um die Rechte der Gründer zu stärken." Eine schlechte Anlagemöglichkeit seien die Firmen deswegen jedoch nicht.

Voller IPO-Kalender gut für den Aktienhandel

Dass die Alibaba-Aktie in den kommenden Wochen abtauchen könnte, scheint kurz nach dem IPO-Rausch kaum jemand zu glauben. "Der Aufstieg des Unternehmens ist eine typische amerikanische Erfolgsgeschichte", so der polarisierende CNBC-Moderator Jim Cramer. Der ehemalige Englisch-Lehrer Jack Ma hat das Unternehmen vor 15 Jahren in einer Einzimmerwohnung gegründet und heute sei sie 200 Milliarden Dollar wert. "Nur leider", so wirft Cramer ein, "handelt es sich nicht um eine amerikanische Firma."

Der Börsengang sei insgesamt eine gute Werbung für den Aktienmarkt als Ganzes, schreibt das Wall Street Journal. "Es ist gut, wenn man einen prallen Kalender voller guter IPOs vorweisen kann", wird Jerry Braakman, Chef-Stratege bei First American Trust zitiert. Die enorme Nachfrage nach Alibaba sei ein Bullenmarkt-Indikator. Das Argument für Aktienbesitz sei ohnehin stark, heißt es. Das Journal verweist auf mehr als acht Prozent Steigerung des breit gefassten S&P500-Index im vergangenen Jahr. Es sei wieder "In", an die Börse zu gehen. Dank Alibaba habe man jetzt schon das Volumen der Börsengänge des gesamten vergangenen Jahres getoppt und 69 Milliarden Dollar eingenommen.

Der IPO-Rekord liegt im Jahr 2000. Damals wurden rund 105 Milliarden Dollar - größtenteils durch Tech-Börsengänge - generiert. Danach folgte das historische Platzen der Dotcom-Blase. Ein ähnliches Szenario will die Mehrheit der Wall Street Beobachter dieses Mal nicht kommen sehen. Alibaba Gründer Jack Ma ist zumindest auch hierfür mit einem Credo ausgestattet: “Gebe niemals auf. Wenn heute ein harter Tag ist, wird es morgen schlimmer sein. Aber an dem Tag danach wird die Sonne wieder scheinen.”