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Ali Alaswad: "Das sind keine normalen Wahlen"

Kersten Knipp /ft22. November 2014

Erstmals seit den Massenprotesten vor drei Jahren ist in Bahrain ein neues Parlament gewählt worden. Doch viele Bürger hatten zum Boykott aufgerufen. Der frühere Parlamentarier Ali Alaswad erklärt die Hintergründe.

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Porträt des bahrainischen Oppositionspolitikers Ali Alaswad, Foto: privat
Bild: Privat

DW: Herr Alaswad, wie sehen Sie die politische Situation in Bahrain? Und wieso boykottiert Ihre Partei die Abstimmung?

Ali Alaswad: Zur Situation möchte ich ganz generell etwas sagen. Auf die Forderungen der Menschen im Land wurde überhaupt nicht eingegangen. Auf das, was die Regierung der Opposition vorgeschlagen hat, sind wir deshalb nicht eingegangen, sondern haben uns entschlossen, die Wahlen zu boykottieren. Denn: Das sind keine normalen Wahlen, sie werden in einer Zeit der politischen Krise abgehalten.

Worin mangelt es der Politik in Bahrain denn derzeit? Inwiefern behindert die Regierung die Opposition?

Nun - die Regierung sieht überhaupt nicht ein, warum sie ihre Macht mit dem Volk teilen sollte. Von einer Reform sind wir weit entfernt. Warum das so ist, ist klar: Denn wenn wir sagen, dass sie ihre Macht teilen soll, dann diskutieren wir automatisch über die Stellung der Monarchie. Meiner Meinung nach gibt es in Bahrain keine konstitutionelle Monarchie, keine, zu der ich mich bekennen könnte. Dabei bräuchten wir die konstitutionelle Monarchie. Stattdessen regiert eine einzige Familie das ganze Land.

Sind zivilgesellschaftliche Bewegungen und oppositionelle Parteien arbeitsfähig?

In Manama Proteste zu organisieren, ist verboten. Und das Parlament tut nichts gegen dieses Verbot. Blogger oder andere Vertreter der Zivilgesellschaft werden verfolgt. Journalisten, die das anprangern, werden entführt. Manche sitzen noch im Gefängnis, andere wurden getötet. Selbst hochrangige Politiker hat man verschwinden lassen. Was die Menschenrechte angeht, ist also keine Reform zu erwarten. Man kann sich auf nichts verlassen. Es gibt keine Plattform, die Menschenrechtsaktivisten eine Stimme gäbe. Denn als Aktivist hält man dich für einen Politiker – sprich, Du riskierst, verfolgt zu werden. Dann kannst Du verurteilt werden, bestraft werden für wer weiß was. Da unterscheidet sich Bahrain nicht von anderen arabischen Staaten. Nur unsere Regierung versucht dies zu vertuschen, teils sogar zu legitimieren. Die Unterdrückung des Volkes wird, denke ich, weiter gehen. Klar haben wir ein Parlament - das repräsentiert aber nicht die Mehrheit.

Was ist der Kern des Konflikts? Religion? Der Kampf zwischen Schiiten und Sunniten? Oder geht es um politische Einflussnahme?

Es ist komplett politisch. Die Bande zwischen den Regierungsmitgliedern Bahrains und vielen Regierungsmitgliedern anderer Staaten aus dem Golf-Kooperationsrat sind sehr eng geknüpft. Sie haben familiäre Verbindungen nach Katar und nach Kuwait. Die Saudis sind ihre Verbündeten. Doch das Volk in Bahrain, das darf nicht mitreden. Die dominierende Familie in Bahrain ist sunnitischer Herkunft – was aber nicht heißt, dass andere Sunniten mitbestimmen dürften. Die bestbezahlten Jobs sind für Familienmitglieder reserviert. Schiiten gehören zur dritten oder gar vierten Klasse im Land. Das sind politische Probleme, auch wenn die Regierung sie immer als zwischenreligiöse Konflikte abtut, als Sektenstreit. Aber das stimmt doch schlicht nicht.

Sehen Sie eine Perspektive, dass sich an den Machtverhältnissen in Bahrain etwas ändern könnte?

Wenn die Regierung tatsächlich das Volk repräsentieren würde, ja. Dann hätte sie tatsächliche Macht, dann würden massive Umwälzungen im politischen System stattfinden. Doch ich und meine Parteifreunde, wir hegen große Zweifel daran, dass diese Regierung eine Demokratie herbeiführen kann. Solange die Macht sich auf eine einzige Familie beschränkt, ist das schlicht unmöglich.

Unsere Pflicht ist es, nicht über die Situation zu schweigen. Wenn es eine politische Lösung für die Probleme in Bahrain geben soll, so muss sie von Sunniten und Schiiten gemeinsam herbeigeführt werden. Beide Gruppen müssen Reformen zustimmen. Dann könnten wir eventuell hierzulande etwas verändern. Allerdings ist das alles auch nicht ohne die Opposition zu erreichen. Und: Wir wollen die internationale Staatengemeinschaft dazu bringen zu vermitteln. Großbritannien, die USA, Deutschland und Frankreich sind große Player in Bahrain, wir brauchen die Hilfe dieser Länder. Denn solange die Menschenrechte nicht eingehalten werden, wird es keine politischen Reformen geben.

Ali Alaswad wurde im Oktober 2010 ins Parlament von Bahrain gewählt. Im Februar 2011 legte er sein Mandat aus Protest gegen die Zerschlagung der friedlichen Demokratiebewegung nieder.