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Akinwumi Adesina: "Mir geht es um die Menschen"

Thomas Mösch30. Mai 2015

Die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) hat einen neuen Präsidenten: den ehemaligen Agrarminister Nigerias, Akinwumi Adesina. Im DW-Interview spricht er über seine Visionen für Afrika.

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Akinwumi Adesina (Foto: AFP)
Bild: AFP/Getty Images/S. Kambou

DW: Welche Ziele haben Sie sich selbst und der AfDB gesetzt?

Akinwumi Adesina: Ich habe fünf wichtige Punkte auf meiner Agenda: Erstens braucht Afrika bessere Infrastrukturen, damit wir produktiver und wettbewerbsfähiger werden. Zweitens muss die AfDB den Privatsektor noch mehr stärken, um Jobs für Afrikas Jugend zu schaffen. Mehr als 13 Millionen junge Afrikaner suchen derzeit Arbeit, die es auf dem Markt nicht gibt. Es ist verständlich, dass sie über das Mittelmeer nach Europa wollen. Das müssen wir anpacken und ihr unternehmerisches Potenzial ausschöpfen! Eine weitere Baustelle wird die Wirtschaftsentwicklung auf dem Lande sein - und letztlich die regionale Integration der Wirtschaft.

In Ihrem Eingangs-Statement nach Ihrer Wahl Ende Mai dieses Jahres haben Sie den Begriff 'schlaue Infrastruktur' verwendet. Was meinen Sie damit?

Die Lücken in der Infrastruktur sind Afrikas größte Herausforderung, ob im Verkehr, im Energiesektor oder Gesundheitswesen. Afrika müsste jährlich 93 Milliarden US-Dollar ausgeben, um diese Lücken zu schließen. Beim 'schlauen-Infrastruktur-Konzept' geht es um die übergeordneten Ziele, wohin Afrika steuert, und nicht um Einzelprojekte.

Ein Beispiel: Afrika produziert momentan rund 1,74 Gigawatt Strom, gerade mal so viel wie Belgien und Spanien. Das ist zu wenig. Deshalb ist das Energieproblem meine Priorität: Wir müssen die verschiedenen Stromerzeugungsarten verbinden - Wasser-, Wind-, Solarenergie. Deutschland ist ein Spitzenreiter in der Solarenergie, aber Afrika, dessen Sonnenenergie unbegrenzt ist, nutzt dieses Potenzial nicht.

Zentrale der Afrikanischen Entwicklungsbank (Foto: AFP)
Die AfDB hat ihren Sitz in Abidjan (Elfenbeinküste)Bild: AFP/Getty Images/S. Kambou

Natürlich gibt es keine Musterlösung, umso mehr kommt es darauf an, verschiedene und möglichst klimafreundliche Energiequellen zu nutzen. Wir brauchen nicht unbedingt große Infrastrukturprojekte, sondern viele kleine und schnell realisierbare Kraftwerke.

Wenn Infrastrukturentwicklung ‚schlau‘ gedacht wird, setzt sie auch an den Brennpunkten an - etwa in den Megastädten Lagos, Kinshasa oder Kairo mit ihren schnell wachsenden Slums. Die Menschen dort brauchen nicht nur Straßen, sondern Sanitär-, Trinkwasser- und Abwasseranlagen sowie öffentlichen Transport, um zur Arbeit zu kommen.

Bleiben wir beim Thema Energie. Nigeria ist bislang nicht für eine gute Infrastruktur bekannt. Welche Erfahrungen bringen Sie als Nigerianer mit?

So vielfältig die Probleme der verschiedenen Länder sind, eines haben alle gemein: Es gibt nicht genügend Strom. Und ohne Strom folgt keine Industrialisierung. Bildungs- und Gesundheitssysteme können nicht funktionieren. Es muss regionale Stromzentren geben. Nehmen wir die Viktoriafälle als Beispiel. Sie allein könnten ganz Sambia, Simbabwe, Namibia und Botswana versorgen, hätten wir nur gute und lange Stromleitungen. Das scheitert nicht nur an der Finanzierung, sondern oft an der mangelnden Projektvorbereitung, an technischen Fragen. Projekte dürfen nicht nur auf dem Papier finanziert, sie müssen auch umgesetzt werden. Als Präsident der AfDB werde ich mich für eine bessere Vorbereitung einsetzen, damit am Ende profitable Projekte entstehen.

Wie verbinden sie das Energieproblem mit Entwicklungsfragen?

Mir geht es hauptsächlich um die Menschen: Afrikas Frauen etwa verbringen jährlich rund 40 Milliarden Stunden damit, Wasser und Feuerholz zu holen. Stellen Sie sich die enormen Möglichkeiten für afrikanische Frauen vor, wenn erneuerbare Energien die ländlichen Gebiete versorgten! Wir müssen so schnell wie möglich überall bezahlbaren Strom hinbekommen. Davon werden der Gesundheits- und der Bildungssektor profitieren, genauso wie Kleinunternehmer und Frauen.

Die AfDB muss zugleich Investor und Aktivist sein. Sie ist nicht irgendeine, sondern die afrikanische Entwicklungsbank. Sie muss über die Rendite hinaus immer an Afrikas Entwicklung denken.

Welche Pläne haben Sie für die Landwirtschaft?

Rund 65 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche der Welt liegen in Afrika. Um 2050 neun Milliarden Menschen ernähren zu können, muss Afrikas Landwirtschaft unternehmerischer werden. Für diesen Wandel wird sich die AfDB einsetzen. Es sind leicht zugängliche Mikrokredite für Kleinbauern nötig. Wir müssen durch bessere Transportlogistik und Lagerhallen die Ernteverluste minimieren. Afrika braucht auch modernere Maschinen. Die alten Pflüge und Spaten müssen weg.

Momentan sind 80 Prozent der Agrarproduzenten Afrikas Kleinbauern. Sie müssen massiv unterstützt werden. Wir brauchen aber auch junge unternehmerische Bauern, die die alte Generation ablösen. Und, seien wir ehrlich: Wir brauchen auch Großfarmen. Entscheidend ist, diese Elemente vernünftig miteinander zu verknüpfen.

Akinwumi Adesina ist seit dem 01.09.2015 Chef der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB). Davor war er Agrarminister von Afrikas größter Volkswirtschaft Nigeria. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler setzte sich zudem bei der Entwicklungshilfeorganisation AGRA für kleinbäuerliche Projekte auf dem Kontinent ein. Am 28.05.2015 wählte ihn die Afrikanische Entwicklungsbank zum Nachfolger des Ruanders Donald Kaberuka an ihrer Spitze.

Das Interview führte der DW-Hausa-Redaktionsleiter Thomas Mösch kurz nach der Wahl Adesinas Ende Mai.