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Akademisches Klopfen

Miriam Beiseler9. Mai 2004

Bei Konzerten und Vorträgen klatscht das Publikum am Ende. An Universitäten fällt der Beifall anders aus: Hier wird geklopft statt geklatscht. Warum?

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Lange Geschichte: Klopfen nach der Vorlesung

Der Professor nimmt seine Zettel vom Redner-Pult und beendet die Vorlesung. Die Stimmung im Hörsaal hebt sich. Bevor die Studenten aber den Raum verlassen, klopfen sie noch mit den Fingerknöcheln auf die kleinen Klapp-Tische vor sich. Mit dieser Tradition endet fast jede Vorlesung.

Keine eindeutige Erklärung

"Das Thema Begeisterungsklopfen bei Studenten ist nicht systematisch untersucht. Deshalb sind die ganzen Aussagen sehr vage", sagt Friedhelm Golücke, Vorsitzender der Gemeinschaft für deutsche Studentengeschichte in Essen. Golücke versucht den Ursprung des Klopfens trotzdem zu erklären: Im 18. Jahrhundert seien die Studienanfänger ("Füchse") an der Universität mit dem "Austrommeln" begrüßt worden. Dazu hätten die höheren Semester mit Stöcken auf dem Boden getrommelt. "Austrommeln" hatte aber zwei Bedeutungen: Es wurde einerseits für die Begrüßung der "Füchse" verwendet, andererseits trommelten die Studenten aber auch mit dem Stock, wenn ihnen der Vortrag des Professors nicht gefiel.

Fausteinsatz

Ein weiteres Zeichen des Missfallens entwickelte sich Ende des 18. Jahrhunderts. Damals schlugen die Studenten mit geballter Faust auf den Tisch, wenn sie unzufrieden waren. Zur gleichen Zeit wurde das "Ausscharren" oder "Auszischen" bekannt. "Das Klopfen auf den Tisch scheint sich in dieser Zeit zu einer Beifallsbekundung für den Dozenten gewandelt zu haben", sagt Golücke.

Notker Hammerstein, Geschichtsprofessor in Frankfurrt am Main hat eine andere Erklärung: Früher hatten die Studierenden in der Hochschule meist nur eine Hand frei. Die andere Hand wurde zum Halten der Feder oder des Kollegheftes benutzt. Hammerstein folgert daraus, dass die Meinungsäußerung nur mit einer freien Hand möglich war und die Studenten deshalb vom Klatschen auf das Klopfen auswichen.

Andere Traditionen

In der Geschichte der Studenten gibt es noch weitere Formen der Meinungsäußerung: "Auspfeifen" ist eine davon. Zwischen Ende des 18. Jahrhunderts und Mitte des 19. Jahrhunderts pfiffen Studierende ihre akademischen Lehrer aus. Sie bekundeten damit ihren Beifall. Zur selben Zeit und mit der gleichen Tradition wurden auch die neuen Füchse begrüßt.

"Die Traditionen sind teilweise widersprüchlich und besitzen häufig gegenteilige Bedeutungen", sagt Golücke. Es bestünden zwar Quellen zu dem Thema, sie seien aber nicht in Bibliotheken zu finden. Golücke nennt diese Literatur deshalb "graues Schrifttum" – Bücher und Schriftstücke, die sich meist in Privathäusern befinden. Sollte doch mal ein Forscher den Ursprungs des Klopfens finden, gebührt ihm sicher eins: klopfender Beifall!