1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Advent? Was soll das?

Pfarrer Ralph Frieling7. Dezember 2013

Jeder denkt bei Advent an etwas anderes: Geschenke kaufen oder Keksebacken usw. Einer der frühesten Christen wäre sehr überrascht, das zu sehen. Für die evangelische Kirche macht sich Ralph Frieling an die Erklärung.

https://p.dw.com/p/1AU6G
Weihnachstmarkt in BerlinBild: picture-alliance/dpa

Was ist Advent?

Morgen ist der zweite Advent. Die vier Adventssonntage und -wochen vor Weihnachten sind in der christlichen Kirche eine Zeit der Erwartung. Die Urchristen im ersten Jahrhundert kannten allerdings noch keine Adventszeit und sie feierten auch nicht Weihnachten. Ostern ja, die Auferstehung Jesu von den Toten feierten sie, aber an die Geburt Christi zu erinnern und sich darauf vor zu bereiten - daran dachten die ersten Christen in Jerusalem noch nicht.

Alle wollen etwas anderes

Was, wenn einer von den allerersten Christen heute unter uns wäre, sich umgucken und fragen würde: Advent? Was ist das überhaupt? Stress, würden die einen sagen. Wir haben ganz schön gut zu tun, dass wir das in den vier Dezemberwochen alles auf die Reihe kriegen. Jahresabschlussfeiern, Geschenke kaufen, die Feier planen. In der Stadt ist es ja nicht nur gemütlich. Nach dem zweiten Advent macht das Geschenkekaufen kaum noch Spaß. So geht es mir. Die langen Schlangen an den Kassen und der ganze Kommerz in den Einkaufsstraßen zehrt vielen Menschen an den Nerven.

Advent? Die Besitzerin vom Fashionstore würde sagen: Ist doch gut, vor allem die Samstage und das Lichterfestshoppen am späten Abend, das kurbelt die Konjunktur an. Die Kauflust nur nicht klein reden!

Kindergartenmütter würden sagen: Das ist ja nicht Advent. Advent, da ist Plätzchenbacken angesagt mit den Kleinen. Und Weihnachtslieder singen. Ja, und Glühwein trinken, die Väter würden nicken. Überhaupt, der Weihnachtsmarkt! Bunte Autos drehen sich im Karussell, kleine Flugzeuge heben auf und ab, Pilotenhände winken, Mandelduft. Überall Tannenbäume.

Advent ist, wenn ich die Kerzen anmache, sagt die ältere Frau. In ihrer Straße sind viele Eingangstüren und Fenster weihnachtlich mit Girlanden geschmückt. Durch Fenster und Vorhänge leuchten Kerzen und Lichterketten. Sie schimmern so anheimelnd, als seien die Probleme der Welt draußen vor der Tür geblieben. Das sind sie natürlich nicht. Sonst würden viele gar nicht den Wunsch verspüren nach Licht und nach Wärme, nach Geborgenheit, nach Familie, nach Liebe.

Wieder ganz andere Leute würden abwinken und sagen: Advent und Weihnachten ist, wenn ich mich vom Acker mache Richtung Mallorca. Mir sagt diese ganze Vorweihnachtsstimmung mit all dem Trubel beim Einkaufen und bei Familienfeiern überhaupt nichts.

Advent ist ein Blick in den Himmel

Advent, was soll das? Vielleicht würde der Jerusalemer Urchrist nachdenken und einen Satz zitieren von Jesus aus dem Lukasevangelium: Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht! (Lk 21,28)

Seht nach oben. Gott kommt in die Welt und wenn`s geht, gerne in euer Herz. Er verspricht euch Freiheit. Dann könnt ihr euch aufrichten, durchatmen. Was für ein Gefühl, sich zu strecken, so gut es geht, den Leib zu spüren, sich aufzurichten. Das Blickfeld weitet sich. Ihr seht andere Menschen, nicht nur euch selbst. Und ihr seht den Himmel, so weit, so fern. Ihr bekommt Abstand von euren Sorgen. Ihr könnt euch aufrichten. Gott kommt euch entgegen und er weitet euch das Herz.

Eine ganz andere Beschreibung für den Advent: Gott kommt. Er lässt uns einen Blick in den Himmel riskieren und er richtet uns auf.

Zum Autor:

Frieling
Pfarrer Ralph Frieling, Bad SassendorfBild: DW

Ralph Frieling (Jahrgang 1966) ist derzeit Pfarrer der Ev. Kirchengemeinde Weslarn. Er hat nach einem Studienjahr in Nes Ammim (Israel) evangelische Theologie in Heidelberg und zwei Semester in Melbourne (Australien) studiert. Es folgte Ende der Neunziger Jahre das Vikariat in Berlin; dort hat er auch angefangen, regelmäßig Radiosendungen zu machen. Anschließend war er vier Jahre lang Studienleiter in der Evangelischen Akademie Iserlohn im »Institut für Kirche und Gesellschaft« der Evangelischen Kirche von Westfalen. 2004 wechselte er als Pfarrer in die Gemeinde, zuerst im Kirchenkreis Hamm, dann ab 2008 in den Kirchenkreis Soest. Er ist verheiratet und hat eine Tochter.