1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Abstieg zur Hölle

Hajo Goertz26. März 2005

Am Karfreitag wurde Jesus ans Kreuz geschlagen, Ostersonntag ist der Tag der Auferstehung. Und Karsamstag? Es gibt auch eine Theologie des Karsamstags - wieder.

https://p.dw.com/p/6PWN
In der Grabeskirche in JerusalemBild: AP

Kein Ort der Stille. Eine Empore in der Jerusalemer Grabeskirche stellt Golgotha dar. Pilger und Touristen drängeln sich geräuschvoll an die Stelle, an der das Kreuz Christi aufgerichtet worden sein soll. Das dunkle Gewölbe unter der Golgotha-Empore finden nur wenige Besucher.

Die Grabeskirche in Jerusalem
Die Grabeskirche in JerusalemBild: AP

Durch ein Fenster in der Wand blickt man auf nackten Fels, er ist tief gespalten. "Dies ist der Spalt im Felsen, von dem wir glauben, er sei durch das Erdbeben entstanden, das sich bei der Auferstehung ereignet hat", sagt Albert Aghazarian, armenischer Christ und ehemaliger Geschichtsprofessor in Jerusalem. "Wir nennen dies die Adams-Kapelle, weil nach einer christlichen Tradition Jesus in theologischer Hinsicht die Überbietung Adams ist. Und ich erinnere mich aus meiner Kindheit, dass hier Szenen von Adam und Eva dargestellt waren."

Kampf gegen Satan

Harz
Kinder tanzen um TeufelBild: DW

Über Jahrhunderte hat diese Zeit zwischen Karfreitag und Ostermorgen, zwischen dem Tod Jesu am Kreuz und seiner Auferstehung die Phantasie der Menschen beflügelt. Legenden von der Höllenfahrt Jesu, der den Satan, den Fürsten der Unterwelt in seinem Reich überwältigt, knüpfen sich vor allem an das von der Kirche nicht anerkannte, apokryphe Evangelium des Nikodemus. Entstanden wohl kurz nach 400 nach Christus, malt es den Sieg Christi über den Satan und die Befreiung der Vorväter und Propheten plastisch aus.

Später findet die Höllenfahrt Jesu ihren Niederschlag in der Osterikone der orthodoxen Kirche, im Auferstehungs-Bild, der Anastasis. "Das ist in der berühmten Ikonen-Darstellung der Anastasis in der östlichen Tradition: Jesus, der hinabsteigt in die Unterwelt und Adam und Eva in beide Hände nimmt und sie aus dem Reich des Todes heraus zieht", erklärt Professor Josef Wohlmuth, der an der Universität Bonn katholische Dogmatik lehrte. "Die Erlösung wirkt nicht nur in die Zukunft, sondern auch in die Vergangenheit."

Grabtuch von Turin
Jesu' Grabtuch von TurinBild: AP

Was in der orthodoxen Kirche bis heute alljährlich bildhaft vor Augen steht, darüber geht die westliche Kirche seit langem leicht hinweg. Dabei war es in Rom, wo um das Jahr 350 in das älteste Taufbekenntnis der Karsamstag-Vers eingefügt wurde. "Im Apostolischen Glaubensbekenntnis heißt es: 'passus, mortus et sepultus, descendit ad inferos'", zitiert Wohlmuth. "Auf Deutsch heißt das: 'Er litt, er starb, er wurde begraben, er stieg hinab in das Reich des Todes oder in die Unterwelt'."

Alte Hades-Vorstellung

Höllenfresco in San Petronio Basilica
Höllenfresco in der San Petronio Basilica, BolognaBild: AP

Bis ins letzte Jahrhundert lautete die deutsche Übersetzung, Christus sei "abgestiegen zu der Hölle". Die heutige Rede vom "Abstieg in das Reich des Todes" kommt den Vorstellungen aus der Frühzeit der Kirche wieder näher: "Da spielt ohne Zweifel auch die alte Hades-Vorstellung mit, die schon in der alttestamentlichen Tradition aufgenommen wird", glaubt Wohlmuth. " Das Reich des Todes ist ein Zwischenzustand, vergleichbar mit dem Schlaf, aber dann doch nicht einfach nur der Schlaf. Es ist ein Durchgang durch die Nacht, bis der neue Tag wieder anbricht."

Vor allem sei es, so Wohlmuth, mit der Einfügung in das Apostolische Glaubensbekenntnis darum gegangen, Irrlehren über einen Scheintod Christi oder über die bloße Menschlichkeit Jesu den Boden zu entziehen. Das Glaubensbekenntnis hält fest: Es ist ein wirklicher Tod, und Jesus erleidet das Schicksal aller Menschen. Natürlich kommt dann sofort die Gegenfrage: Wenn Jesus stirbt, was geschieht da: Stirbt er als Mensch oder stirbt er in seiner Göttlichkeit?

Theologische Schwierigkeiten

Die Grabeskirche in Jerusalem
In der Grabeskirche in JerusalemBild: AP

Die theologischen Schwierigkeiten wiegen nicht leicht. "Jesus stirbt, weil er Mensch ist, aber er kann nicht in ein totales, radikales Nichts verfallen, sondern er erleidet eben auch diesen Tod und diese extreme Erfahrung des Übergangs, des Abbruchs und kann eben deswegen auch die neue Erfahrung machen, dass dieser Zustand nicht der Endzustand ist", sagt Wohlmuth.

Der Sohn Gottes solidarisiert sich mit dem Menschen nicht nur bis in sein Leiden, sondern bis in die extremste Situation des Menschseins, des Lebensendes und der scheinbar radikalsten Gott-Verlassenheit. Doch vom "Tod Gottes" zu sprechen, hält Wohlmuth für unangemessen.

"Es kann eigentlich nur heißen, dass Jesus den Tod in radikaler menschlicher Form erlebt hat und dass diese Erfahrung des Todes in einem ganz präzisen Sinn eine Gotteserfahrung wird. Das sind natürlich unvorstellbar verwegene Aussagen, aber so versucht man christlich zu denken."