1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Tomograf der Extraklasse

29. April 2009

Im Forschungszentrum Jülich wurde ein weltweit einzigartiger Hybrid-Tomograf eingeweiht. Er verspricht faszinierende Blicke ins Gehirn und lässt Krankheiten früher und sicherer erkennen.

https://p.dw.com/p/HgKJ
Der Tomograf liefert ein millimeter genaues Detail-Bild des Gehirns. Foto: Forschungszentrum Jülich
Millimeter genaues Detail-Bild des GehirnsBild: Forschungszentrum Jülich

"9komma4", diesen Namen verdankt der Tomograf der Feldstärke seines rund vier Meter langen und 57 Tonnen schweren Magneten. Denn die beträgt ganze 9,4 Tesla und ist damit über 190.000 mal so stark wie das Erdmagnetfeld. Doch das ist nicht das Einzige, was das Gerät, für das eigens ein 1500 Quadratmeter großes Gebäude eingerichtet wurde, so einzigartig macht.

Das größte Geheimnis liegt in der Kombination aus Magnetresonanz-Tomografie (MRT) und Positronen-Emissions-Tomografie (PET). Denn die erschließt den Forschern völlig neue Möglichkeiten in der Diagnostik und Therapie zahlreicher Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson, Krebs oder Multipler Sklerose.

MRT- und PET-Bilder des menschlichen Gehirns (Foto: Forschungszentrum Jülich)
PET- und MRT-Bilder eines Patienten mit einem Hirntumor (Pfeil). Die PET-Bilder in der mittleren Spalte und die MRT-Bilder in der rechten Spalte sind mit dem neuen 3TMR-PET Hybridscanner aufgenommen. Im Vergleich zu den mit dem bisherigen älteren PET-Scanner aufgenommenen Bildern (linke Spalte) liefert der Hybridscanner eine bessere BildauflösungBild: Forschungszentrum Jülich

Die MRT ermöglicht den Forschern das Aufnehmen detaillierter anatomischer Bilder des Gehirns. Gleichzeitig kann über PET eine Aussage über Stoffwechselvorgänge und molekulare Vorgänge im Gehirn getroffen werden. So kann krankes Gewebe besser erkannt und der Krankheitszustand eingestuft werden.

Durch die große Feldstärke des "9komma4" ergibt sich eine millimetergenaue Auflösung, die Strukturen und Stoffwechselstörungen besser erkennbar macht als bisher möglich. Gerade Krankheiten wie Krebs oder Alzheimer benötigen eine möglichst frühe Diagnostik, um sie adäquat therapieren zu können. Der neue Tomograf ermöglicht eine neue Dimension dieser Früherkennung und auch die Entwicklung neuer und verbesserter Therapeutika wird erleichtert.

Der neue Tomograph: Eine Kombination aus MRT und PET (Foto: Forschungszentrum Jülich)
So sieht das Gerät von außen aus. Der Patient legt sich auf die Liege und wird ins Innere des Tomografen gefahrenBild: Forschungszentrum Jülich
Von Stabmagneten und Elementarteilchen

Beim MRT wirkt das Magnetfeld auf Atomkerne im Körper, besonders auf das von Heliumatomen. Heliumatome kommen in vielen Verbindungen im Körper vor, zum Beispiel in Wassermolekülen. Im Feld des Magneten orientieren sich die Kerne wie Milliarden kleiner Stabmagnete in die gleiche Richtung. Durch hochfrequente Radiowellen wird die Ordnung, die vorher akkurat hergestellt wurde, gezielt gestört. Die Atomkerne kommen dann in eine Bewegung, über deren Stärke und Zeit zwischen Gewebetypen und Gehirnstrukturen unterschieden werden kann. So entstehen die typischen schwarz-weißen Aufnahmen des Gehirns.

Bei der PET wird dem Patienten eine schwach radioaktive Substanz, der sogenannte Radiotracer, gespritzt. Vor dem muss allerdings niemand Angst haben, denn die Strahlung ist so gering, dass sie keinerlei Schäden hinterlässt. Die Radiotracer werden maßgeschneidert, so dass sie vielfältige Strukturen im Körper markieren, beispielsweise Rezeptoren, mit denen Zellen untereinander kommunizieren. Je nachdem welches radioaktive Molekül verwendet wird, lassen sich Stoffwechselvorgänge und Hirnaktivitäten darstellen. Doch die Bilder sind relativ unscharf, was die Lokalisation der Vorgänge erschwert. An dieser Stelle ermöglicht nun die parallele MRT gezielt den Ort des Tracer-Zerfalls auszumachen – der entscheidende Vorteil des "9komma4".

Jon Shah, Leiter der Arbeitsgruppe Magnetresonanzphysik, blickt ins Innere des Tomografen (Foto: Forschungszentrum Jülich)
Jon Shah, Leiter der Arbeitsgruppe Magnetresonanzphysik, blickt ins Innere des GigantenBild: Forschungszentrum Jülich
Ein tonnenschwerer Stahlmantel bietet Schutz vor Strahlung

Damit das Magnetfeld, das durch Siemens Healthcare und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 20 Millionen Euro gefördert wurde, auch durch nichts gestört wird, wird es rundherum von 70 Zentimeter dicken Stahlwänden abgeschirmt. Es soll nicht nur keine Strahlung nach außen dringen: Für das Gerät ist Strahlung von außen viel schwerwiegender, denn diese würde das Magnetfeld beeinflussen. Von den Stahlmassen sieht man allerdings nichts, denn die sind hinter weißen Wänden versteckt.

Münzgeschosse im Magnetfeld

Das Magnetfeld um die Röhre hat es ganz schön in sich: Nicht nur Münzen werden in kleine Geschosse verwandelt: Kugelschreiber, Ohrringe, selbst die Nägel in Schuhsohlen – vor nichts macht der leistungsstarke Magnet Halt. Auch Glühbirnen fallen dem Magneten zum Opfer. Der Grund für massenweise durchgebrannte Glühdrähte ist folgender: klickt man auf den Lichtschalter und lässt so Strom fließen, dann erzeugt dieser Strom im Feld des Magneten ein eigenes kleines Magnetfeld rund um den Glühdraht. Dadurcfh wird der Draht in Richtung des Riesenmagneten abgelenkt. Das bedeutet für den Glühdraht jedes Mal eine winzig kleine Bewegung, die ihn anfälliger macht und so schneller zum Durchbrennen bringt.

Tomografen-Magnet (Foto: Forschungszentrum Jülich)
Passgenau: So riesig ist alleine der Magnet des TomografenBild: Forschungszentrum Jülich

Doch das Magnetfeld hat nicht nur Auswirkungen auf Metalle. Selbst das menschliche Gleichgewichtsorgan ist vor ihm nicht sicher. Das Gleichgewichtsorgan, oder auch Vestibularorgan, besteht aus mehreren flüssigkeitsgefüllten Röhrchen. Bewegt sich die Flüssigkeit, senden spezielle Fühler Signale an das Gehirn, in welche Raumrichtung die Bewegung abläuft. Im Feld des Magneten führt nun jede kleinste Auslenkung der Flüssigkeit zur Entstehung eines stetigen Stroms. Diese zusätzlichen Signale werden von den Fühlern weitergeleitet. So werden selbst winzige Bewegungen des Kopfes im Gehirn als wildes Schütteln verarbeitet, was sich prompt durch Schwindel bemerkbar macht.

Energiesparen dank Minusgraden

Eine weitere kleine Überraschung ist der Stromverbrauch des Magneten. Er verbraucht, wenn er einmal aufgeladen ist, nämlich gar keinen Strom mehr. Das verdankt er hauptsächlich seiner unglaublich guten Kühlung. Auf unter Minus 200 Grad Celsius wird das Metall durch flüssiges Helium heruntergekühlt. Denn wird Metall stark genug gekühlt, dann bildet es einen sogenannten Supraleiter. Dieser weist keinerlei Widerstand mehr auf. Kein Widerstand bedeutet, dass der Strom völlig ohne Verlust durch Reibung geleitet wird.

Doch trotz all des Hightechs brachte eine Kleinigkeit das Projekt fast ins Wanken. Denn der Transport des gigantischen Magneten in seinen Stahlkäfig war echte Maßarbeit. Wenige Zentimeter schmalere Tore am Forschungszentrum Jülich und der "9komma4"-Tomograf müsste heute wohl noch auf seine Einweihung warten.

Autorin: Sabine Gogolok

Redakteurin: Judith Hartl