1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

30 Seiten Freunde

26. Januar 2013

30 Seiten Freunde und doch ziemlich allein? Wie gut, dass wenigstens Gott immer online ist, immer ansprechbar und eben nicht das Blaue vom Himmel verspricht, meint Pater Nobert Cuypers von der katholischen Kirche.

https://p.dw.com/p/17RD7
Liebe
LiebeBild: Fotolia/Carina Hansen

Das Internet ist schon eine feine Einrichtung, wer von uns möchte es missen? Wenn es das nicht gäbe, dann könnten Sie beispielsweise heute Morgen dieses „Wort zum Sonntag“ gar nicht hören. Das „weltweite Netz“ macht es Menschen unserer Zeit möglich, mit der halben Welt zu kommunizieren, Kontakte zu knüpfen oder sogar Freundschaften zu schließen.

So ist Sven, ein junger Mann unserer Tage, stolz darauf, seine rund „30 Seiten Freunde“ täglich im Internet zu treffen. Mit vielen von ihnen chattet Sven regelmäßig, mit anderen spielt er stundenlang, aber die wenigsten von diesen Freunden kennt er persönlich. Es sind eben nur „virtuelle Freunde“ – man ist sich eigentlich noch nie wirklich begegnet und doch fühlt sich Sven von den anderen offensichtlich verstanden und geliebt, wenn auch nur virtuell.

Inzwischen kann man in der Cyberwelt auch heiraten. Die inszenierte Traumhochzeit am Computer lässt scheinbar keinen Wunsch unerfüllt. Trotzdem: Christoph und Eva, ein junges Paar, das ich vor kurzem trauen durfte, bevorzugten für ihren schönsten Tag im Leben dennoch die klassische Variante: echte Kirche, realer Gottesdienst, wirkliche Freunde. „Nein, unsere berufliche Karriere bedeutet uns nicht so viel wie unsere Freunde und unsere Familien.“ Das war eine der Aussagen von ihnen, die mich beim Brautgespräch sehr berührten. Und als ob sie das bereits Gesagte unterstreichen wollten, fügten sie gleich an: „Lieber verdienen wir etwas weniger, als das wir keine Zeit mehr füreinander und für unsere Freunde hätten.“

Liebe als verbindende Kraft

Auf der Suche nach einem Symbol für das, was ihre Ehe auch in Zukunft ausmachen sollte, habe ich mich dann in der Predigt für eine Netztasche, entschieden. In der Tat sind die beiden ja schon lange miteinander „verbunden“ beziehungsweise „vernetzt“ – und das eben nicht nur virtuell. Ganz real haben sie sich für den „Bund fürs Leben“ entschieden, also einander ein verbindliches „Ja“ zugesagt, weil sie im Tiefsten ihres Herzens spüren, dass Liebe nie unverbindlich bleiben darf.

Netztasche
Die Netztasche als SymbolBild: Norbert Cuypers

Die Hochzeit der beiden kann uns daran erinnern, dass in der Bibel die Beziehung zwischen Gott und Mensch sehr oft mit der Liebe zwischen Mann und Frau verglichen wird. Beim Propheten Hosea hört sich das beispielsweise dann so an: „Ich traue dich mir an auf ewig; ich traue dich mir an um den Brautpreis von Gerechtigkeit und Recht, von Liebe und Erbarmen, ich traue dich mir an um den Brautpreis meiner Treue: Dann wirst du den Herrn erkennen.“ (Hos 2,21-22)

Gottes Brautpreis: die Treue zum Menschen

Es geht Gott an erster Stelle also nicht um Moral oder strikte Einhaltung von Gesetzen und Rechtsvorschriften. Vielmehr ist er an einer sehr realen, tragfähigen und vor allem an einer treuen Beziehung zum Menschen interessiert. Den „Brautpreis“ den der Mensch für diese Beziehung zu zahlen hat ist sein konkreter Einsatz für Gerechtigkeit und Recht, für Liebe und Erbarmen im gelebten Alltag. Den „Brautpreis“, den Gott wiederum zahlt, ist seine unwiderrufliche Treue zum Menschen.

Gott verspricht mir nicht das Blaue vom Himmel – so, wie es vielleicht viele virtuelle Freunde im Internet tun. Aber egal, was mir das Leben auch zumutet an Schwierigkeiten und Herausforderungen: ich kann mich auf Gott verlassen, denn er geht alle Wege mit. Gottes Zusage beim Propheten Jesaja gilt auch mir: „Wenn du durchs Wasser schreitest, bin ich bei dir, wenn durch Ströme, dann reißen sie dich nicht fort. Wenn du durchs Feuer gehst, wirst du nicht versengt, keine Flamme wird dich verbrennen.“ (Jesaja 43,2)

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer. Angesichts solch einer großartigen Zusage Gottes frage ich mich: wäre es heute nicht einmal einen Versuch wert, mein Leben mit Gott zu „verlinken“, seine „Freundschaftsanfrage“ anzunehmen und mit ihm wieder einmal zu „chatten“? Aus eigener Erfahrung heraus mag ich behaupten: Gott ist immer „online“, wir brauchen uns nur in sein soziales Netzwerk „einzuloggen“ und werden dann überrascht sein, wie viel neue Seiten Freunde wir dabei gewinnen werden. Ganz real und nicht nur virtuell.

Zum Autor

Pater Norbert Cuypers wurde 1964 als sechstes Kind in Köln geboren. Nach einer Berufsausbildung als Schriftsetzer trat er in die „Gesellschaft des Göttlichen Wortes“ ein - im deutschsprachigen Raum besser als „Steyler Missionare“ bekannt. Während seines ersten Missionseinsatzes im Westlichen Hochland von Papua Neuguinea entdeckte er seine große Liebe zur Seelsorge. Er kam nach Europa zurück und ließ sich in Österreich zum Priester ausbilden und weihen. Als Missionar ist P. Norbert Cuypers grundsätzlich bereit, dort zu leben und zu arbeiten, wo ihn sein Herz hinzieht, beziehungsweise wo ihn seine Gemeinschaft braucht. Aktuell leitet er das Noviziat der deutschsprachigen Ordensprovinzen in Berlin.

P. Norbert Cuypers
P. Norbert CuypersBild: privat