1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Survival Camp für verwöhnte Manager

6. September 2011

Was machen Manager im Wald? Drei Tage lang testen Führungskräfte eines deutschen Bauspar-Unternehmens im "Survival Camp" nicht nur Überlebenstechniken. Es geht um besseres Kennenlernen und vor allem um Teamfähigkeit.

https://p.dw.com/p/12TDI
Das Team sitzt am Lagerfeuer im Camp. (Foto: Dost/www.earthtrail.de)
Bild: Dost/www.earthtrail.de

Kopfüber liegt einer der Männer in der dicht bewachsenen Waldsenke und schreit um Hilfe. Sein Hosenbein ist zerschlissen, das Knie verdreht und blau angelaufen, am Kopf eine riesige, blutende Platzwunde. Im Laufschritt eilen die Retter aus dem nahen Camp herbei, drehen den Verletzten vorsichtig auf den Rücken und analysieren die Situation. Einen Arzt herbeiholen können sie nicht - ohne Handyempfang. Ratlos schauen sie sich an und überlegen, wie es weiter geht. "Wir müssen ihn irgendwie ins Lager kriegen, dafür brauchen wir eine Trage", meint Steffen Kasper und verteilt die Aufgaben.

Rettung eines Verletzten aus dem Wald beim Führungskräfte-Training (Foto: Dost/www.earthtrail.de)
Keine leichte Trainingsaufgabe: Rettung eines "Verletzten" aus dem WaldBild: Dost/www.earthtrail.de

Die Szenerie wirkt echt, und obwohl nach ein paar Augenblicken klar wird, dass alles doch nur gestellt ist, vergeht den Helfern nach und nach das Lachen. René Albani gibt hier den Schwerverletzten, er ist einer der Überlebenstrainer im "Survival Base Camp", mitten in einem Wald in Sachsen-Anhalt. Er spielt seine Rolle gut, schreit bei jeder Bewegung, den ersten Teilnehmern steht der Schweiß auf der Stirn. Langsam und vorsichtig tragen sie den Kameraden aus dem Gestrüpp Richtung Lager und bekommen kaum noch mit, dass sie dabei ganz genau beobachtet werden. Mit Block und Stift sitzt Christian Dost, der zweite Trainer des Camps, ein paar Meter oberhalb am Hang und schreibt mit. "Hier hängen überall Bäume herum, die herunter rutschen können, doch darauf achtet leider keiner."

Es sei ja schon schlimm genug, wenn es einen Verletzten gibt. Doch wenn die Retter nicht aufpassen, könnten es bald noch mehr sein. Aber insgesamt mache sich die Gruppe ganz gut, schiebt Dost hinterher. Fast eine halbe Stunde dauert es, dann sitzen alle wieder am Lagerfeuer.

Willkommen im "Survival Base Camp"

Während sich der Gerettete noch das Theaterblut aus dem Gesicht wischt, bespricht die 10-köpfige Männertruppe die Rettungsaktion. Die meisten haben graugrüne T-Shirts an, gefleckte Tarnhosen und festes Schuhwerk, bei einigen baumelt ein übergroßes Taschenmesser am Gürtel: Willkommen im "Survival Base Camp" für verwöhnte Manager.

"Wir halten uns sonst eher in 5-Sterne-Hotels auf als im Wald oder auf der grünen Wiese", erzählt Peter Sutter, der Chef der Teilnehmertruppe vom Bausparkonzern, der die Kollegen für drei Tage hierher eingeladen hat. Teambildung sei nur so ein Schlagwort, da gebe es Tausend Möglichkeiten. "Du kannst dich in einen Seminarraum setzen und einen teuren Trainer holen, der dann drei Tage Flipcharts bemalt und die Einheit des Teams beschwört. Aber ich glaube, dass das hier mehr bringt, weil man die Kollegen einfach mal in Ausnahmesituationen kennen lernt."

Camp-Teilnehmer mit einer afrikanischen Wanderheuschrecke (Foto: Dost/www.earthtrail.de)
...ob die Schrecken schmecken?Bild: Dost/www.earthtrail.de

Also nichts da mit Grand-Hotel, lecker Häppchen und drei Kaffeepausen. Hier im Wald muss der Kaffee selbst gekocht werden, und zwar am offenen Feuer, und das Nachtlager besteht nur aus Isomatte und Schlafsack unter einer Plastikplane, die über eine Schnur gehängt und mit Ästen im Boden verankert wird. Bei ihrer nächsten Überlebensstation müssen die Männer eine Schutzhütte im Wald bauen, nur aus Bäumen, Ästen und Gestrüpp - praktischerweise gleich mit angeschlossener Latrine.

Doch die ersten Teilnehmer scheinen keine Lust mehr zu haben, was Steffen Kasper nervt: "Ich saue mich ein für euch und ihr steht da nur rum und labert", meckert er die Kollegen an.

Gerade schleppt Andre Mahnecke einen riesigen Ast zum Unterschlupf, durchgeschwitzt und etwas blass um die Nase kann er nur müde über die Worte von Steffen Kasper lächeln. "Das ist schon eine andere Arbeit hier, sonst sitzen wir ja nur am Schreibtisch und bewegen den Kugelschreiber." Irgendwann sind Hütte und Latrine dann doch fertig, das Abendessen rückt näher.

Regenwurm wird in der Pfanne gebraten (Foto: Dost/www.earthtrail.de)
Nie als Rohkost: RegenwurmBild: Dost/www.earthtrail.de

Doch bevor es Rehgulasch mit Spätzle gibt, haben die Trainer noch einen paar Leckerbissen im Angebot: Wahlweise gibt es nämlich Wanderheuschrecken aus Afrika oder aber einheimische "Natur-Kost" aus Sachsen-Anhalt.

Direkt essen sollte man diese Regenwürmer aber nicht, weil die Parasiten in sich tragen können", erklärt Christian Dost den überraschten Teilnehmern. Deshalb werden die Würmer am offenen Feuer angebraten, ebenso die Heuschrecken. "Schmeckt wie Kartoffelchips, nur ohne Gewürze", meint Peter Sutter, sein Kollege Steffen Kasper mag lieber nicht mal kosten: "Ich schau mir das an, bin aber schon vom Zuschauen satt."

Nach dem unappetitlichen Insekten-Würmer-Aperitif ist es dann endlich soweit - es gibt Gulasch. Die Sonne ist da bereits untergegangen, nur das Lagerfeuer flackert noch vor sich hin. Um kurz vor Mitternacht verschwinden auch die Letzten unter ihren Plastikplanen.

Floßbau und nasse Füße

Kurz nach Sonnenaufgang ist die Nacht zu Ende. Nach einem Vollwert-Frühstück mit Kaffee und einem dicken Brei aus Obst, Wasser und Haferflocken geht es auf zur nächsten Station: Orientierungslauf quer durch den Wald, nur mit Karte und Kompass. Gerald Loose, beim Bauspar-Konzern für ein Dutzend Mitarbeiter im Raum Magdeburg zuständig, wartet am Bus auf die Kollegen. Er ist auf einem Bauernhof aufgewachsen und bis heute häufig in der Natur unterwegs. Das Survival Camp ist für ihn weniger Abenteuer-Urlaub als vielmehr eine gute Möglichkeit, sich im Team zu beweisen. "Beziehungen aufbauen und die Leute besser kennenlernen ist ganz wichtig, dann klappt auch die Zusammenarbeit im Beruf." Im abgedunkelten Kleinbus fährt die Gruppe in den Wald, damit keiner die Wegstrecke zurückverfolgen kann.

Übersetzen am Seil über einen Tümpel (Foto: Dost/www.earthtrail.de)
Übersetzen am Seil über einen TümpelBild: Dost/www.earthtrail.de

Dann werden die Manager in kleinen Teams im Wald ausgesetzt. Ihre Aufgabe: Standort bestimmen und dann den Weg zu einem etwa vier Kilometer entfernten See finden. René Albani gibt letzte Instruktionen. "Ihr dürft keine Wege benutzen und müsst euch anhand der Karte orientieren. Viel Glück!"

Zwei Stunden später am See. Die Teamleiter haben bereits alles für die nächste Aufgabe vorbereitet, Baumstämme, Schnur und acht Gummireifen bereitgelegt, da treffen die Gruppen nach und nach ein. Alle haben die Aufgabe ohne Probleme bewältigt und zwei Stunden für den Weg gebraucht.

Mit dem Floß auf dem See beim Führungskräfte-Training (Foto: Dost/www.earthtrail.de)
Per Floß über den SeeBild: Dost/www.earthtrail.de

Ohne Pause geht es weiter im Programm: In zwei Gruppen muss jeweils ein Floß gebaut werden, in zwei Stunden muss das Gefährt raus auf den See. Peter Sutter gibt den Chefplaner. "Reifen drunter, dann einen stabilen Kasten außen rum, mit den Reifen verbinden und dann Querstreben. Fertig!"

Auch die Überfahrt klappt am Ende - bis auf ein paar nasse Füße kommen alle wieder heil im Camp an. Am Abend wird noch gegrillt, am nächsten Morgen das Camp zusammengepackt. Dann hält jeder sein Zertifikat in den Händen: Teilnahme am "Survival-Base-Camp", erfolgreich bestanden.

Peter Sutter ist zufrieden, allerdings nicht so sehr wegen der schönen Urkunde. Alle im Team hätten sich besser kennengelernt, besonders in der einen oder anderen Ausnahmesituation. Und für ihn als Chef gab es auch ein paar neue, interessante Erkenntnisse: "Gerade von Menschen, wo man gedacht hat, die stecken das locker weg, da war man eher enttäuscht. Und bei anderen, wo man gedacht hat: Oh, das wird eng und die reisen bestimmt nach dem ersten Tag ab, die haben das voll durchgezogen und viele Aufgaben übernommen." Gut sei auch gewesen, dass sich einige mal die Meinung gesagt und aufgestaute Dinge besprochen hätten. Im besten Fall bleiben die harten Worte im Wald, denn schon morgen geht es zurück an den gewohnten Schreibtisch.

Autor: Ronny Arnold
Redaktion: Hartmut Lüning