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Öko-Tourismus auf Dominica

Monika Griebeler / Hendrik Heinze 4. März 2014

Wandern gehen, Wale sehen, Wald verstehen: Das tropisch grüne Dominica hat sich ganz dem Natur-Tourismus verschrieben. Zu Besuch auf einer Karibik-Insel, die nachhaltig beeindruckt - auch mit deutscher Beteiligung.

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In Scotts Head auf Dominica beginnt der Waitukubuli National Trail (Foto: DW/Griebeler)
Bild: DW/M. Griebeler

Ein perfekter Regenbogen - und an seinen Enden gleich zwei Schätze: links tiefblaue karibische See, rechts sattgrüne Inselberge. Die 20 Touristen auf dem Schiff haben ihr Paradies gefunden - Kapitän Philbert ist aber noch nicht zufrieden. "Kommt jetzt!", bittet er, "Sprecht mit mir!"

Philbert lässt ein Mikrofon ins Wasser, baut einen Lautsprecher auf. Und dann sprechen sie tatsächlich mit ihm, die Wale: Klick, klick, klick - ganz so, als würde der Meeresgott mit den Fingern schnipsen. Philbert versteht ihre Sprache, er weiß, wo gleich wohl ein Pottwal seine Schwanzflosse zeigen wird - und wie er fahren muss, damit verspielte Delfine das Boot begleiten.

Kapitän Philbert und seine Mannschaft lauschen mit Mikrofonen unter Wasser nach Walen auf Dominica (Foto: DW/Griebeler)
Schatzsucher: Kapitän Philbert und seine Mannschaft lauschen mit Mikrofonen unter Wasser nach WalenBild: DW/M. Griebeler

Ein Fluss für jeden Tag des Jahres

"Es ist wundervoll hier, so grün", sagt Dianne, die gerade das Mittagessen für mehrere Fischer zubereitet hat. "Wir haben 365 Flüsse, wir haben Wasserfälle, wir haben sogar einen kochenden Vulkansee."

Die 70.000 Einwohner der Insel Dominica lieben ihre Natur - und leben vor allem vom Tourismus. Was liegt da näher, als beides zu verbinden? Die Anbieter der Wal-Ausflüge etwa haben viel getan, um die Tiere zu verstehen und zu schützen. Seit Jahren fahren kanadische Forscher mit hinaus zu den Tieren, und am Anleger erwartet die Touristen ein Informationszentrum mit einem riesigen Walskelett. Es wurde mit deutscher Hilfe geborgen und präpariert.

Hauptattraktion: Ein kochender See

Oder der Ort Laudat, mitten im tiefgrünen Regenwald. Hier ziehen Touristen die Sandalen aus und die Wanderschuhe an - und lassen sich von den jungen Männern und Frauen der Berggemeinde zur Hauptattraktion Dominicas bringen: Zunächst geht es vorbei an einer Probebohrung für Erdwärme - denn auch ihre Energie will die Insel künftig ökologisch erzeugen und sogar exportieren. Durch das "Tal der Trostlosigkeit" mit seinen Schwefelwolken wandern die Touristen dann zu einem Vulkansee mit kochendem Wasser. Für seinen Ruf als Wanderparadies will Dominica nun noch mehr tun: Der gerade fertiggestellte und von den Anwohnern gepflegte "Waitukubuli National Trail" führt über die ganze Insel. Es ist der erste lange Wanderweg der Karibik.

Die Köchin Diane auf Dominica (Foto: DW/Griebeler)
Mittagessen bei Köchin Dianne: drei Euro, Geschichten über ihre Heimat: unbezahlbarBild: DW/M. Griebeler

Bereits 1997 unterzeichnete die Regierung von Dominica - als erste in der Region - ein Abkommen mit dem "World Travel and Tourism Council". Das Ziel: Dominica als Zentrum für nachhaltigen Tourismus etablieren. "Wenn man sich die Werbekampagnen anschaut - ‘Nature Island‘ - dann ist das durchaus gewollt und ergibt auch Sinn", sagt der Münchner Touristikprofessor Jürgen Schmude. "Ich glaube, dass Dominica ein Aushängeschild für nachhaltigen Tourismus sein kann." Seit gut fünf Jahren fährt er in die Karibik, forscht, berät und zeigt seinen Studenten, wie sanfter Tourismus hier funktioniert.

Karibik fast ohne Käse

Wer wie Schmude nach Dominica kommt, schläft oft in "Eco Lodges" - teils einfache Holzhütten, teils luxuriöse Herbergen wie das "Papillote Wilderness Retreat" oder das "Jungle Bay Resort". In 35 Stelzenhäuschen schauen hier die Gäste aufs Meer, schaukeln in der Hängematte bis zum nächsten Ausflug. Ein sanfter Duft von Lorbeeröl ist zu spüren - hergestellt im Nachbardorf.

Das Tal der Trostlosigkeit auf Dominica (Foto: DW/Griebeler)
Wer zum kochenden See will, muss durch das "Tal der Trostlosigkeit"Bild: DW/M. Griebeler

"Unsere Philosophie ist es, so viele Produkte wie möglich von den Bauern aus der Region zu erhalten", erzählt Service-Chefin Nancy Atzenweiler, eine Schweizerin. Das bedeutet aber auch: Kein rotes Fleisch, denn Kühe gibt es auf Dominica nur wenige. Doch eine Karibik ganz ohne Käse, Milch und andere Importwaren gibt es auch hier nicht: "Man möchte vielleicht doch den Kaffee mit Milch trinken. Aber Fisch, Hühnchen, Gemüse und Früchte - das ist von hier."

"Grünes Gold": Früher Bananenanbau - und heute Tourismus?

Eine grüne Entwicklung - geboren aus der Not. Denn das "grüne Gold", das war auf Dominica bis Mitte der 1990er Jahre noch der Bananenanbau. Woche um Woche fuhren prall gefüllte Schiffe die Ernte nach Europa. Doch dann kippte Europa die günstigen Handelsabkommen, der grüne Goldrausch war vorbei - und die Insel musste sich verändern. "Die Leute in dieser Region waren Angestellte der Regierung, die Bananen produziert haben", erzählt Atzenweiler. "Da war niemand gewohnt, als Farmer eigenständig zu arbeiten. Sie wussten nicht, dass man verschiedene Dinge anpflanzen und dafür einen Preis verlangen kann."

Mit deutscher Hilfe geborgen und präpariert: Das Skelett eines Pottwals im Wal-Informationszentrum in der Hauptstadt von Dominica (Foto: DW/Griebeler)
Mit deutscher Hilfe geborgen und präpariert: Das Skelett eines Pottwals im Wal-InformationszentrumBild: DW/M. Griebeler

Das Resort stand ihnen mit Rat und Saat zur Seite: Heute wissen die Bauern, was sie an der Öko-Hochburg in ihrem Dorf haben. Desmond etwa, von dem die Orangen und Grapefruits kommen. Oder Tony, dessen Familienbetrieb so erfolgreich ist, dass er sogar schon Supermärkte beliefert. Die Hotelgäste können die Bauern auch besuchen und sich die vielen fremden Früchte erklären lassen - die kürbisähnlichen Christophinen, die erfrischend saure Soursop-Frucht.

Touristikprofessor Jürgen Schmude spricht vom "community based tourism" - einem Tourismus, der die lokale Gemeinschaft miteinbezieht. Im Jungle Bay Resort sieht er dieses Konzept hervorragend umgesetzt. 60 Menschen aus der Umgebung arbeiten dauerhaft im Hotel, 40 weitere gelegentlich. Außerdem, so sagt er, sei es wirtschaftlich tragfähig: "Das ist ja ein Problem bei vielen Öko-Projekten, dass das notwendige Geld nicht verdient wird. Das ist hier aber offensichtlich der Fall. Und es ist ökologisch verträglich."

Was deutsche Hoteliers lernen können

Grünes Glück - das so bisher aber nicht überall auf der Welt funktioniert: "Wir kennen deutsche Hoteliers, die versucht haben, beispielweise nur auf Saisonfrüchte oder Saisongemüse zurückzugreifen", sagt Schmude. "Die haben dann Schwierigkeiten bekommen mit ihren Gästen, die nicht akzeptiert haben, dass es keinen frischen Orangensaft gibt - und die eben nicht mit dem Apfelsaft vorlieb nehmen wollten." Für einen nachhaltigen Tourismus müssten sich eben Hoteliers und Gäste gleichermaßen ändern, sagt er. Und das sei es vielleicht, das deutsche Hoteliers von Dominica lernen könnten: Wie sie ein nachhaltiges Angebot so gestalten können, dass die Gäste trotzdem kommen.

Professor Jürgen Schmude von der Universität München (Foto: DW/Griebeler)
Schmude: "Dominica als Aushängeschild für nachhaltigen Tourismus"Bild: DW/M. Griebeler

Andere Karibikinseln setzen derweil auf Kreuzfahrturlauber, auf Hochzeitsgesellschaften, auf Segler oder gleich auf Millionäre. Sie bauen große Schiffsanleger und noch größere Flughäfen. "Klar gibt es die Sorge, dass wir nicht entwickelt genug sind", sagt Kerry, der bald Meeresbiologie studieren möchte. Zwar legt inzwischen fast täglich ein Kreuzfahrtschiff an und überragt die bunten Häuser der kleinen Hauptstadt. Und bald soll im Norden der Insel ein Fünf-Sterne-Hotel entstehen.

Ein Ausverkauf des grünen Paradieses ist das jedoch nicht. Die Insel geht gemütlich ihren Weg - hier ein Schwätzchen, da ein Glas Kokosnusswasser. "Schaut euch die anderen Inseln an", sagt Kerry und blickt aufs Meer. "Die sind ziemlich touristisch und überlaufen. Sie haben nicht diesen Groove, die Entspannung. Das gibt es nur hier auf Dominica."