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Ärzte werfen WHO Vertuschung vor

Mathias Bölinger11. März 2013

Die Zahl der Krebserkrankungen in Japan werde nach Fukushima steigen, sagt die Organisation Ärzte gegen den Atomkrieg. Dabei hatte es schon erste Entwarnung von der Weltgesundheitsorganisation gegeben.

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Evakuierung von Fukushima im Jahr 2011 (Bild:AP)
Bild: dapd

Den ersten Hinweis gab die Geburtenlücke. Ende 2011 seien in Japan rund 4000 Kinder weniger geboren worden, als die Statistik habe erwarten lassen, sagt Winfrid Eisenberg, Kinderarzt und Mitglied bei den Internationalen Ärzten zur Verhinderung eines Atomkriegs (IPPNW): "Es ist anzunehmen, dass viele Embryonen durch die Strahlenbelastung abgestorben sind. Der Embryo hat das größte Strahlenrisiko." Eisenberg zeichnet ein dramatisches Bild der Folgen von Fukushima vor allem für Kinder. Weil nach dem Unfall nicht genügend Jodtabletten verteilt wurden, weise ein Drittel der Kinder in der Präfektur Fukushima Zysten oder Knoten in der Schilddrüse auf, sagt Eisenberg. Solche Verformungen, bei Erwachsenen oft harmlos, seien bei Kindern häufig Vorboten von Schilddrüsenkrebs: "In den nächsten Jahren sind sehr viele Erkrankungen zu erwarten."

WHO: Außerhalb Fukushimas kein erhöhtes Risiko

Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte für die am stärksten verstrahlten Gebiete rund um Fukushima kürzlich ein erhöhtes Krebsrisiko festgestellt. Für den Rest Japans wurde aber Entwarnung gegeben: "Außerhalb dieser Gegenden sind keine erhöhten Krebsraten zu erwarten", sagte die WHO-Direktorin für öffentliche Gesundheit und Umwelt. "Dieser Bericht ist bemüht, die Folgen herunterzuspielen", glaubt hingegen Eisenberg. Die IPPNW haben berechnet, wie hoch das Risiko auch außerhalb des unmittelbar betroffenen Gebiets noch ist: Infolge der Katastrophe könnten demnach in Japan zwischen 60.000 und 120.000 Menschen an Krebs erkranken. Hinzu kommen die 18.000 Arbeiter, die direkt mit der Beseitigung der Schäden befasst waren und deren Erkrankungsrisiko äußerst hoch ist. "Japan ist großflächig betroffen", folgert der Mediziner Henrik Paulitz von der IPPNW.

"Knebelvertrag" mit der Atomenergiebehörde?

Die WHO gilt unter Atomkraftgegnern als voreingenommen, weil sie ein Abkommen mit der Internationalen Atomenergiebehörde hat. Darin verpflichten sich beide Organisationen zur gegenseitigen Beratung, wenn eine Seite sich mit Themen beschäftigt, "in denen die andere Seite ein substantielles Interesse hat oder haben könnte". Atomkritiker interpretieren das als faktisches Vetorecht der Atomorganisation in WHO-Berichten zum Strahlenrisiko. IPPNW-Mitglied Eisenberg spricht von einem "Knebelvertrag". Die WHO bestreitet, dass dieser Vertrag die Unabhängigkeit ihrer Organisation einschränke.

Die IPPNW wurden während des Kalten Krieges von sowjetischen und amerikanischen Ärzten gegründet und setzen sich für Abrüstung, Konfliktprävention und den Ausstieg aus der Atomenergie ein. Im vergangenen Jahr präsentierte die Organisation eine technische Studie, wonach nicht der Tsunami, sondern das Erdbeben die nukleare Katastrophe ausgelöst hat. Deshalb kommen die Autoren zu dem Schluss: Auch Atomkraftwerke in anderen Erdbebengebieten sind stark gefährdet.