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Ägypten versinkt im Chaos

17. August 2013

Die Befürchtungen am "Freitag der Wut" haben sich erfüllt: Etwa 173 Menschen wurden getötet. In der Nacht kesselte die Polizei hunderte Mursi-Anhänger in einer Moschee ein. Die Muslimbrüder drohten tägliche Proteste an.

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Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi ruft bei einer Demonstration Parolen (foto: REUTERS)
Bild: Reuters

Die ohnehin angespannte Lage in der ägyptischen Hauptstadt Kairo könnte am Ramses-Platz noch einmal eskalieren. In der Moschee Al-Fateh haben Polizisten hunderte Gefolgsleute des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi eingeschlossen. "Bewaffnete Elemente schießen aus der Moschee auf Sicherheitskräfte", hieß es in einer von der amtlichen Nachrichtenagentur Mena verbreiteten Erklärung.

Nervenkrieg um Fateh-Moschee

Die Mursi-Anhänger wiederum warfen der Polizei vor, das Feuer eröffnet zu haben. Zwei TV-Stationen zeigten Szenen, die Soldaten in der Moschee zeigen sollen, möglicherweise bei Verhandlungen mit den Demonstranten. Einige Frauen verließen nach Stunden das Gotteshaus, etwa 700 Islamisten sollen sich noch verschanzt halten. Die Sicherheitskräfte wurden verstärkt, zudem lauern offenbar Schlägerbanden vor der Moschee.

Den ganzen Tag über war es in Ägypten zu blutigen Zusammenstößen zwischen aufgebrachten Islamisten und Sicherheitskräften gekommen. Ungeachtet der Anweisung, dass die Sicherheitskräfte auf Bürger im Fall von Gewaltanwendung oder Plünderungen schießen dürfen, waren erneut zehntausende Mursi-Anhänger auf die Straßen gezogen. Unruhen gab es nicht nur in Kairo, sondern auch in Alexandria, in Beni Sueif südlich von Kairo und in der Touristenstadt Hurghada am Roten Meer.

Ägypten: kein Ende der Gewalt in Sicht

Muslimbrüder geben nicht auf

Trotz der neuen schweren Zusammenstöße in Ägypten wollen die Muslimbrüder ihre Protestaktionen gegen die Übergangsregierung fortsetzen, zunächst für eine Woche. Das erklärte Gehad al-Haddad, ein Sprecher der Muslimbruderschaft, im Kurznachrichtendienst Twitter. "Die Demonstrationen werden täglich von denselben Orten aus durch alle Provinzen Ägyptens weitergehen, bis wir den Putsch gebrochen haben", heißt es darin. Erklärtes Ziel der Muslimbrüder ist die Wiedereinsetzung des islamistischen Präsidenten Mursi, den das Militär am 3. Juli entmachtet hatte.

Dagegen erklärte die Übergangsregierung, sie müsse ein "terroristisches Komplott der Muslimbrüder" niederschlagen. Mehrere Stadtviertel von Kairo erinnerten an Schlachtfelder. Allein in der Nähe des Ramses-Platzes wurden in Moscheen mindestens 39 Leichen gezählt, außerhalb von Kairo waren es nach Angaben der Sicherheitskräfte bis zum Abend mindestens 44 Tote. Etwa 300 Menschen wurden verletzt.

Blick in das innere einer zum Feldlazarett umfunktionierten Moschee am Ramses-Platz in Kairo (Foto: DW/Matthias Sailer)
In dieser Moschee am Ramses-Platz wurde ein provisorisches Lazarett eingerichtetBild: DW/M. Sailer

Die Moschee Al-Fateh am Kairoer Ramses-Platz war es auch, in der sich nach dem Ausgehverbot am Abend weiter Islamisten aufhielten und schließlich eingekesselt wurden. Dort haben die Muslimbrüder eine notdürftige Leichenhalle eingerichtet, mindestens 20 getötete Menschen wurden dort aufgebahrt. Mursis Partei der Freiheit und Gerechtigkeit erklärte in der Nacht, "tausende Menschen" säßen in der Moschee in der Falle. Die Partei warnte die Sicherheitskräfte, "das Rabaa-Massaker zu wiederholen".

Ägypten kein Urlauberziel mehr

Blutigster Tag

Damit ist die Räumung eines Protestlagers am Mittwoch gemeint, bei dem alleine schätzungsweise 200 Menschen getötet worden waren. Insgesamt waren am Mittwoch bei der Auflösung dieses Lagers und eines weiteren Camps sowie den anschließenden Unruhen nach offiziellen Angaben 578 Menschen getötet worden. Es war der blutigste Tag in Ägypten seit der Entmachtung Mursis. Der Islamist wird seitdem an einem unbekannten Ort festgehalten.

Nach der Türkei zieht auch Venezuela aus Protest gegen die Gewalt und die Entmachtung von Mursi seinen Botschafter aus Ägypten ab. Präsident Nicolas Maduro sagte, Mursi müsse wieder in sein Amt eingesetzt werden, "um einen nationalen Versöhnungsprozess des ägyptischen Volkes einzuleiten". "Genug der Staatsstreiche, genug der Spaltung", fügte er hinzu.

kle/sc (afpe, dpa, rtr)