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Ägypten holt sich sein Erbe zurück

Elisabeth Lehmann7. Juni 2014

Die Behörden sind empfindlich, wenn es um den Schutz der Altertümer geht. Denn Grabraub und Grabschändung haben seit 2011 massiv zugenommen. Erstmals stehen auch deutsche Forscher vor Gericht.

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Schutz von Kulturgütern in Ägypten
Bild: DW/E. Lehmann

"Schauen Sie die Risse an, die Pyramiden sind wirklich in Gefahr." Osama Karar zeigt mit dem Finger auf den Bildschirm seines Laptops, darauf unzählige Fotos von Schäden in der Cheops-Pyramide. Karar und seine Mitstreiter haben eine Organisation gegründet, "Volksfront zur Verteidigung von Relikten" nennen sie sich. Er dreht sich um, hinter ihm eröffnet sich der Blick auf die größte Pyramide Ägyptens. "Diese Steine können nicht sprechen, wir versuchen ihnen eine Stimme zu geben."

Dabei hätten vor allem die Steine der Cheops-Pyramide viel zu erzählen. Zum Beispiel, dass ein deutsches Forscherteam um den Chemnitzer Experimentalarchäologen Dominique Görlitz im April 2013 in die Königskammer von Cheops, einem kleinen Raum unter der Spitze der Pyramide, gestiegen ist, Proben von der Wandbemalung genommen hat und diese nach Deutschland zur Untersuchung in ein Labor gebracht hat. Das Ganze ohne Genehmigung bzw. nur mit einer Teilgenehmigung, wie Ali Ahmad Ali vom Ministerium für Altertümer in Kairo betont: "Die Genehmigung beinhaltet nicht den Besuch der oberen Kammern. Und die Genehmigung sagt: Nur besuchen, keine Teile mitnehmen!" Und so hat in Kairo am Samstag (07.06.2014) ein Prozess gegen drei Deutsche und ihre sechs ägyptischen Helfer wegen Beschädigung der Cheops-Pyramide begonnen. Im schlimmsten Fall drohen ihnen zwischen drei und fünf Jahren Haft.

Keine Kontrolle seit der Revolution

Die ägyptischen Behörden reagieren in jüngster Zeit empfindlich, wenn es um den Schutz ihrer Kulturgüter geht. Zu groß der Schaden, der in den vergangenen drei Jahren entstanden ist. Eines der größten Probleme sind die illegalen Grabungen an noch unerforschten Orten, meist in der Wüste. Mehr als 200 Stätten seien im Moment von Plünderungen betroffen, sagt Monica Hanna. Die Ägyptologin dokumentiert die illegalen Grabungen mit einem Team von Freiwilligen. Sie werten Satellitenbilder aus und haben festgestellt, dass diese Art des Grabraubs in den vergangenen drei Jahren um rund 300 Prozent angestiegen ist. "Wir schätzen, dass zwischen 100 und 150 Objekte jeden Tag verschwunden sind seit 2011."

Ägyptologin Monica Hanna (Foto: DW/Lehmann)
Dokumentiert illegale Grabungen: Ägyptologin Monica HannaBild: DW/E. Lehmann

2011 ist das Schlüsseljahr, das Jahr der Revolution in Ägypten, seit Staat und Polizei und damit jegliche Kontrolle zusammengebrochen sind. Das Ministerium für Altertümer schätzt, dass Ägypten seitdem rund drei Milliarden US-Dollar durch den illegalen Handel mit historischen Objekten verloren hat. Doch für Ali geht es nicht ums Geld: "Ägypten verliert sein Erbe. Wir können keine Summe für unser Erbe schätzen. Es ist von unschätzbarem Wert."

In den Köpfen vieler Ägypter ist das noch nicht verankert. Wie auch, fragt sich Osama Karar: "Die 30 Jahre unter Mubarak haben sie uns glauben lassen, dass die Altertümer dem Ministerium gehören und den Touristen. Sie gehören nicht uns Ägyptern." Wie könne man also von den Menschen erwarten, etwas zu schätzen und beschützen, für das sie sich nicht verantwortlich fühlen.

Osama Karar von der "Volksfront zur Verteidigung von Relikten" (Foto: DW/Lehmann)
Kämpft mit der "Volksfront zur Verteidigung von Relikten": Osama KararBild: DW/E. Lehmann

Jahrelang nur ausländische Forscher

Auch Monica Hanna kritisiert den staatlichen Umgang mit dem Erbe ihres Landes massiv. Über viele Jahrzehnte seien ausschließlich ausländische Forscher in den Grabungsstätten zugelassen gewesen. Auf Arabisch sind kaum Studien erschienen. Die Genehmigungsverfahren seien lax gewesen.

Dass die Behörden weiterhin so vorgehen wie immer schon, darauf haben sich vermutlich auch die Deutschen um Dominique Görlitz verlassen. Sein Begleiter, der Buchautor Stefan Erdmann, habe ihm versichert, dass mit den Genehmigungen alles in Ordnung sei und er habe keinen Grund gehabt, ihm nicht zu glauben. Erdmann arbeitet seit vielen Jahrzehnten in Ägypten, hat die Cheops-Pyramide viele Male besucht und erforscht. Görlitz wundert sich heute nur über die informelle Form der Genehmigung: "Warum kriegen wir eine Genehmigung ausgestellt, auf der nichts drauf steht? Weder ein Name, noch, wo wir hindürfen, was wir nicht dürfen, welche Räume wir betreten dürfen." Doch schon viele Forscher vor ihnen hätten auf diese Art gearbeitet, das sei eben Usus gewesen, so Görlitz.

Genau diese Einstellung ärgert Hanna. Ausländer haben ihrer Ansicht nach immer noch diese "koloniale Einstellung. Menschen aus dem Westen kommen nach wie vor nach Ägypten und tun so, als seien sie Indiana Jones und können machen, was sie wollen." Doch diese Zeiten seien nun vorbei, denn die Ägypter verstünden langsam, wie wichtig der Schutz ihres Erbes sei. Und sie holen es sich zurück.