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Ägypten: Dialog ja, Geld nein

Kay-Alexander Scholz17. Dezember 2012

Nach der ersten Runde des Verfassungsreferendums erhöht Deutschland den Druck auf Ägypten. Die Regierung droht, Entwicklungshilfe streichen zu wollen. Doch grundsätzlich soll sich nichts ändern.

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Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (Foto: dapd)
Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel verstärkt den Druck auf ÄgytenBild: dapd

Zu Wochenbeginn sorgte im politischen Berlin ein Interview von Entwicklungsministers Dirk Niebel für Aufregung. "Es besteht die Gefahr, dass das diktatorische System des gestürzten Präsidenten Mubarak wieder auflebt, nur diesmal mit einer anderen Person," hatte Niebel der "Frankfurter Rundschau" gesagt und mit einem Abbruch der Gespräche gedroht. Manche hatten seine Aussagen so interpretiert, dass Deutschland die Regierungsbeziehungen einstelle wolle. Die Aussagen seien falsch zitiert worden, versuchte ein Sprecher Niebels auf der montäglichen Regierungspressekonferenz, die Gemüter zu beruhigen. Wegen der unklaren Lage seien lediglich die Regierungsverhandlungen über die weitere Entwicklungskooperation abgesagt worden, die für Mitte Dezember geplant waren.

Ägypten ist mit Zusagen von 5,5 Milliarden Euro seit 1963 traditionell eines der größten Empfängerländer deutscher Entwicklungszusammenarbeit. Jüngste Hilfszusagen gab es unmittelbar nach dem Umbruch in Ägypten im Frühjahr 2011 und dann auch Ende 2011 zur Förderung erneuerbarer Energien. Zudem hatten im Mai 2011 die G8-Staaten beschlossen, die Reformprozesse in der Arabischen Welt finanziell zu unterstützen. Deutschland sagte damals zu, Schulden in Höhe von 240 Millionen Euro zu erlassen.

Erstmal kein Schuldenerlass

Bereits Ende November hatte Minister Niebel in einem Presse-Interview gesagt, er werde Präsident Mohammed Mursi daran messen, ob dieser Ägypten weiterhin auf dem Weg der Demokratie führe.

Nun, gut zwei Wochen später, verschärfte Niebel seinen Tonfall. Der teilweise Schuldenerlass solle "nun erst einmal nicht kommen", so Niebel. Die weitere Unterstützung bei der Transformation hin zu mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit liege "in der Hand der ägyptischen Regierung".

Staatsbesuch soll stattfinden

Die anderen zwischenstaatlichen politischen Kontakte sollen von der Frage der weiteren Entwicklungszusammenarbeit nicht berührt werden. "Dialog ist das eine, konkrete Maßnahmen sind etwas anderes - das ist kein Widerspruch", unterstrich Regierungssprecher Steffen Seibert. Deutschland setze weiterhin auf einen Dialog mit Ägypten. "Wir müssen und wollen mit diesem Land im Gespräch bleiben", so Seibert. Deshalb auch bleibe es bei der offiziellen Einladung für Präsident Mursi, die Kanzlerin Angela Merkel nach dessen Amtsantritt ausgesprochen hatte. Der schon kursierende Besuchstermin Ende Januar wurde am Montag allerdings nicht bestätigt. Der Termin werde zu gegebenem Anlass bekannt gegeben, hieß es.

"Ägypten ist für Deutschland ein Schlüsselland, denn was in Ägypten passiert, das hat Auswirkungen auf die gesamte Region", so ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Deshalb pflege die Bundesregierung vielfältige Kontakte zur ägyptischen Regierung - und dies solle auch in Zukunft so sein.

Außenminister Guido Westerwelle besuchte seit der Januarrevolution 2011 vier Mal Ägypten zu politischen Gesprächen - zuletzt im Juli kurz nach Amtsantritt von Mursi, dem ersten demokratisch gewählten Präsidenten in Ägypten. Ende November war Außenminister Amr Kamel in Berlin und hatte viel Lob über Ägyptens Rolle bei der Waffenruhe zwischen Israelis und Palästinenser erhalten. Gleichzeitig hatte aber auch Westerwelle gemahnt, Ägypten müsse seine Probleme im Konsens mit allen Bevölkerungsgruppen lösen.

Rege Beziehungen

Zwischen Deutschland und Ägypten gab es auch während des Regimes von Husni Mubarak rege Kontakte - Mubarak war häufiger Gast in Berlin. Dies hatte nach dem politischen Umsturz zu Diskussionen geführt. Die deutsche Politik habe beide Augen zugedrückt und Mubarak für eine vermeintliche Stabilität unterstützt. Und zwar aus Angst vor einer Machtübernahme durch Islamisten, sagte die Grünen-Politikerin Kerstin Müller im Januar 2011 - durchaus auch selbstkritisch. Denn Müller selbst war Staatministerin im Auswärtigen Amt in der Regierung Schröder zu Beginn des Jahrtausends.

Auch aus dem jetzigen Regierungslager waren damals ähnliche Töne zu hören. Der Hinweis auf Reformen und Missachtung der Menschenrechte habe immer eine große Rolle gespielt - ohne viel an der Realität zu verbessern, so der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz von der CDU.

Stärkung der Islamisten

Die zweite Runde der Abstimmung über den Verfassungsentwurf von Mursi findet am kommenden Samstag (22.12.2012) statt. Dann ist hauptsächlich die Bevölkerung auf dem Land aufgerufen zu entscheiden. Dort ist in manchen Regionen fast jeder Zweite Analphabet. Auch deshalb wird mit einer hohen Zustimmung für Mursi gerechnet.

Ägypten: offenbar knappe Mehrheit für neue Verfassung

Spricht sich die Mehrheit für die Verfassung aus, dann wird die Stellung der Islamisten in Ägypten gestärkt.