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Ägypten blutet, die EU berät

19. August 2013

Die Botschafter der EU-Staaten beraten in Brüssel über eine Reaktion Europas auf die Gewalteskalation am Nil. Der aktuellste Anlass für die Diplomaten: In Kairo erstickten 36 Muslimbrüder an Tränengas.

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Ägyptische Sicherheitskräfte bedrängen einen Muslimbruder bei einer Demonstration in Kairo (Foto: picture alliance ZUMAPRESS.com)
Bild: picture alliance ZUMAPRESS.com

Die Botschafter von 28 EU-Staaten beraten bei einem Krisentreffen über das Blutvergießen in Ägypten und mögliche Konsequenzen für die Europäische Union. Das bestätigten EU-Diplomaten in Brüssel. Die EU will dem Vernehmen nach vor allem wirtschaftlichen Druck ausüben. Die Union hatte dem krisengeschüttelten Land im vergangenen Jahr ein Hilfspaket von insgesamt fünf Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Zu dem Paket gehören auch Kredite von Förderbanken.

Die Diplomaten berichteten am Rande der Sitzung über Meinungsverschiedenheiten zwischen den EU-Staaten. Es sei nicht klar, ob rasche Beschlüsse gefasst werden könnten. An diesem Mittwoch soll es ein Sondertreffen der EU-Außenminister über die explosive Lage in Ägypten geben, wie am Rande der Krisenberatungen der EU-Botschafter bekannt wurde.

Ägypten kommt nicht zur Ruhe

Mehrere Mitgliedsländer, darunter auch Deutschland, haben bereits Finanzhilfen für staatliche Entwicklungsprojekte auf Eis gelegt. Italien hat angeregt, keinerlei Waffen mehr aus der EU nach Ägypten zu liefern. Die EU-Staaten genehmigten nach offiziellen Angaben im Jahr 2011 den Export von Waffen und Militärgütern im Wert von 303 Millionen Euro nach Ägypten.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel will angesichts der Gewalt in Ägypten einen Stopp der Waffenexporte in das Land prüfen. Eine Beschränkung dieser Exporte sei ein denkbarer Weg, der Regierung in Kairo deutlich zu machen, "dass Gewalt nicht akzeptabel ist", sagte Merkel im ZDF.

Transport von mehr als 600 inhaftierten Islamisten

Die neuen Machthaber in Ägypten wollen sich auch durch Kritik westlicher Geberländer nicht von ihrem harten Kurs gegen die entmachteten Muslimbrüder abbringen lassen. Bei einem Fluchtversuch aus einem Gefangenentransport in Kairo wurden am Sonntag 36 Mitglieder der Muslimbruderschaft getötet. Mit dem Transport sollten nach Angaben des Innenministeriums mehr als 600 Islamisten von Kairo aus in ein Gefängnis am Rande der ägyptischen Hauptstadt gebracht werden.

Einige der Gefangenen hätten einen Polizisten überwältigt und ausbrechen wollen. "36 von ihnen sind erstickt, nachdem die Polizei Tränengas einsetzte, um den Ausbruch zu verhindern", teilte das Ministerium in der Nacht zum Montag weiter mit. Laut der Nachrichtenagentur Mena wurde der Transport von unbekannten Bewaffneten angegriffen, die den Häftlingen zu Hilfe kommen wollten.

Fast 800 Tote seit Stürmung der Protestlager

Die Muslimbruderschaft erklärte, die Ermordung von 36 festgenommenen Teilnehmern an Demonstrationen gegen den Sturz von Präsident Mohammed Mursi zeige die zielgerichtete Gewalt der Sicherheitskräfte. Die Anhänger von Mursi, der selbst der Muslimbruderschaft entstammt, seien "das Ziel kaltblütigen Tötens".

Ägypten wird seit dem Sturz Mursis durch das Militär Anfang Juli von Protesten seiner Anhänger erschüttert. Mitte vergangener Woche eskalierte die Lage: Seit der Räumung von zwei Protestlagern der Islamisten am Mittwoch wurden bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Islamisten fast 800 Menschen getötet, darunter 57 Polizisten. Zudem nahmen die Sicherheitskräfte mehr als tausend Muslimbrüder und Mursi-Anhänger fest. Auch in den kommenden Tagen will die Armee an ihren harten Kurs festhalten. "Wir werden niemals schweigend der Zerstörung des Landes zusehen", sagte Armeechef Abdel Fattah al-Sisi.

Extremisten töteten unterdessen nahe der ägyptischen Grenzstadt Rafah 25 Polizisten. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen wurden zwei Fahrzeuge der Ordnungspolizei von Unbekannten mit Panzerfäusten angegriffen. Ferner seien drei Polizisten verletzt worden. Die Sicherheitslage auf dem Sinai hat sich seit der Revolution gegen den langjährigen Machthaber Husni Mubarak vor gut zweieinhalb Jahren massiv verschlechtert. Vor allem im de facto gesetzlosen Norden der Halbinsel an der Grenze zu Israel und dem Gazastreifen sind mittlerweile mehrere radikal-islamische Gruppen präsent. Zahlreiche Anschläge wurden auf Polizisten und Soldaten in der Region verübt. Nach dem Sturz Mursis hat die Gewalt noch zugenommen. Seitdem werden nahezu täglich Angriffe gemeldet.

sti/ml (afp, dpa, rtr)